Pfeil nach links Pfeil nach rechts Öffnen Suchen Pausieren Abspielen Auf X teilen Auf Linkedin teilen Auf Facebook teilen Auf Youtube teilen Auf Instagram teilen

Erfahrungsbericht OrCam

Hilfsmittel & neue Technologien

Mag. David Grassmugg hat für die Hilfsmittelfirma VIDEBIS einen persönlichen Erfahrungsbericht über die OrCam geschrieben.

Es ist ein Frühsommerabend im vergangenem Jahr. Meine kleine Tochter schläft seit ungefähr einer Stunde, meine Frau korrigiert gerade Diktate ihrer Schüler und ich sitze an meinem PC, um meine Mails mittels Mischung aus lesen und anhören zu kontrollieren. Ein Newsletter der Firma TSB (seit Herbst 2017 VIDEBIS) erscheint in der Auswahl und ich bin mir nicht sicher, ob ich diesen angesichts der doch bereits fortgeschrittenen Stunde jetzt noch durchsehen möchte. Sehr wahrscheinlich gibt es wieder Lesegeräte und Leselupen, die dank neuester Entwicklungen schneller, leichter und auch hübscher geworden sind. Na gut, ich schaue noch schnell rein. Gleich die erste Neuheit kündigt ein angeblich revolutionäres und in dieser Form noch nie dagewesenes, mobiles Lesegerät namens OrCam an.

Steuerung per Fingergeste

Das Lesegerät OrCam besteht lediglich aus einer, an die Brille anzubringenden Kamera sowie einem Steuerungsgerät in der Größe eines Mobiltelefons. Laut Beschreibung scheint es beinahe, als hätte dieses angebliche Wunderwerk seinen Weg zu uns aus der Zukunft gefunden. Sämtliche Funktionen lassen sich einfach per Fingergesten steuern, es liest Texte aller Art in Echtzeit und kann mittels Lernfähigkeiten Personen, Produkte, Geldscheine und Vieles mehr wiedererkennen.

Mobile Lesesysteme oft nicht praktikabel

Ich selbst bin im IT Bereich tätig und habe von solch wahrhaft revolutionären Technologien schon einige Male erfahren dürfen. Diese waren in den meisten Fällen aber dann doch eher überraschend normal und wohl vertraut. Mit diesen Vorerfahrungen im Hinterkopf schließe ich das Mailprogramm und widme mich der überfälligen Nachtruhe. Doch dieses angebliche Wunderding geht mir nicht aus meinem Kopf. In meinen Fantasien streife ich mit meiner OrCam durch die Straßen und sehe mir Geschäftsauslagen an, lese Straßenschilder und ausgeteilte Werbungen sowie Zeitungen.

Im nächsten Kaffeehaus erforsche ich die Speise‐ und Getränkekarte und schmökere danach in einem ganz normalen Buch bei einem kühlen Getränk in der Nachmittagssonne. Aufgrund meiner angeborenen Netzhauterkrankung Retinitis Pigmentosa (RP) sind mir solche Erfahrungen bis dato ohne Unterstützung sehender Mitmenschen eher verwehrt geblieben. Freilich gibt es heute schon zahlreiche mobile Lesesysteme, diese sind jedoch nicht immer die praktikabelsten und nicht selten für lediglich einen speziellen Anwendungsbereich optimal.

Testung der OrCam

Genug! Ich rufe bei TSB an und erkundige mich nach dieser wundersamen OrCam. Zu meinem Glück ist dieser Tage gerade ein Demo‐Gerät in Wien verfügbar, sodass ich mir sogleich einen quasi Kennenlerntermin ausmache. Ich betrete das TSB Geschäftslokal und dort erwartet mich bereits ein Modell dieser neuen OrCam; tatsächlich nicht größer als ein Smartphone, erstaunlich leicht und übersichtlich funktional mit lediglich sehr wenigen Bedienelementen. Es vergeht keine Minute und schon ist die zugehörige Kameraeinheit auf meiner Brille befestigt. Ich setze meine Brille samt OrCam auf, blicke meinen TSB-Berater erstaunt an und eine weibliche, sehr angenehme Stimme flüstert mir seinen Namen in mein Ohr. Was war das jetzt?

OrCam kann sich Gesichter merken und Texte vorlesen

Ich verstehe im ersten Moment nicht wie mir geschieht, aber schon zeigt er auf einen Zettel auf seinem Schreibtisch, macht eine Fingergeste und mein neuer Brillengeist beginnt mir den Text darauf vorzulesen. Das Staunen lässt nicht nach und ich führe sicherheitshalber ein paar Selbstkontrollen durch, um Traum‐ sowie Wahnzustände weitestgehend ausschließen zu können. Es ist real. Die OrCam liest Texte auf verschiedensten Hintergründen sowie mit unterschiedlichsten Schriftarten und Kontrasten. Gesichter und Produkte lassen sich erlernen und sodann wiedererkennen. Ob Geldschein oder Bildschirminhalt, die OrCam liest völlig unbeeindruckt ob der verschiedenen Textquellen und kommentiert den Lesevorgang dazu auch noch höchst informativ, falls der Text einmal auf irgendeiner Seite abgeschnitten oder nicht erkannt worden ist.

Fazit: Überzeugt!

Binnen weniger Minuten hat mich die OrCam überzeugt und ich bin mit der Unterstützung seitens TSB in den Anschaffungsprozess übergegangen. Mittlerweile bin ich stolzer Besitzer meines Wunderdings aus der Zukunft und habe die erwähnten Fantasien allesamt real werden lassen. Der Alltag und insbesondere die Mobilität haben sich für mich enorm erleichtert. Straßenschilder, Pläne öffentlicher Verkehrsmittel, Produktinformationen im Supermarkt; manchen Inhaltsstoff wollte ich eigentlich gar nicht so genau wissen, Präsentationsfolien in meiner Arbeit sowie bei Vorträgen und Konferenzen, Spielkarten und Anleitungen diverser Brettspiele, ein altes Lexikon aus dem Bücherregal, und vieles mehr – alles problemlos und unmittelbar von meiner OrCam vorgelesen.

Die zahlreichen und immer neuen Anwendungsgebiete – neulich hatte ich die Idee, mich einfach mit meiner OrCam durch die bisher nicht für mich lesbaren Menüs meiner TV Box zu navigieren – sowie der praktische Umgang machen Tag für Tag einfach nur Spaß und daher ist mein neues, drittes Auge für mich nicht mehr wegzudenken.

Hier finden Sie weitere Hilfsmittel und die laufenden Projekte der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs.