Pfeil nach links Pfeil nach rechts Öffnen Suchen Pausieren Abspielen Auf X teilen Auf Linkedin teilen Auf Facebook teilen Auf Youtube teilen Auf Instagram teilen

Patente Lösung

Hilfsmittel & neue Technologien

Wolfgang Zagler hat viele Jahre an der Technischen Universität Wien im Bereich Assistierende Technologien (AT) geforscht. Gemeinsam mit zwei jungen Wissenschaftlern entwickelt er ein revolutionäres Braille-Display.

Österreichische Wissenschaftler entwickeln revolutionäres Braille-Display

Wolfgang Zagler hat viele Jahre an der Technischen Universität Wien im Bereich Assistierende Technologien (AT) geforscht. Im Unterricht hat er seinen Studierenden die Geschichte der Brailleschrift und der Braille-Displays vermittelt. „Bis zurück in die 1930er Jahre hat es rund 1.100 Patente zu Braille-Displays gegeben. Viele waren technisch ausgereift, erfuhren aber keine brauchbare Umsetzung. Das erste Braille-Display wurde vor rund 40 Jahren entwickelt. Seither hat es aber an der grundlegenden Technologie keine wesentlichen Änderungen mehr gegeben“, erläutert der pensionierte TU-Professor, der gerade an einem Papier über die historische Entwicklung der Blindenschrift-Anzeigen arbeitet.

Der engagierte Forscher wird möglicherweise in den nächsten Jahren gemeinsam mit zwei jungen Wissenschaftlern selbst Teil dieser Geschichte. Einige Jahre vor seiner Pensionierung trat der Informatik-Student Michael Treml mit einer bahnbrechenden Idee an Zagler heran: Anders als bei den bisherigen Braillezeilen sollten nicht mehr die einzelnen Stifte bewegt werden, sondern Gruppen von tastbaren Punkten, die im Inneren eines Zylinders angeordnet sind. Weil die Umsetzung viel Feinmechanik erforderte, kam der Maschinenbau-Student Dominik Busse mit an Bord. Mit Hilfe ihres Professors entwickelten sie die innovative Idee eines ringförmigen Braille-Displays in ihren 2016 erschienenen Diplomarbeiten weiter. Nachdem die Machbarkeitsstudie ausgearbeitet war, wurde 2017 ein erster vergrößerter Prototyp angefertigt, um den Funktionsnachweis zu erbringen. Die TU Wien meldete schließlich die Entwicklung als Diensterfindung zum Patent an.

Erste Tests

Im Oktober 2017 testeten blinde Braille-User Versuchsmuster, um über diese neue Art des Lesens Rückmeldungen für die weitere Entwicklung zu liefern. „Der Tasteindruck ist auf der hohlen Fläche anders als in der Ebene. Daran muss man sich gewöhnen“, so Zagler. „Unsere Aufgabe ist es, die Buchstaben so zu gestalten, als würde man in einem Buch lesen.“ Vor den Tests wurden qualitative Interviews mit den Testpersonen über ihre Nutzungsgewohnheiten und Erfahrungen mit Braille-Ausgabegeräten geführt. Gefragt wurde z.B. auch: „Wo vermissen Sie Braille am meisten?“ Die Antwort lautete häufig: „Dort, wo es zu groß zum Transportieren ist!“ Der „Lesering“ – wie er von einer Testperson genannt wurde – stieß generell auf große Akzeptanz. Vielfach wurde der Wunsch geäußert, das „Ding“ mit einem Motor zu versehen, um damit auch ohne Bewegung und ohne Tischfläche lesen zu können.

Aktuell wird an Versuchsmustern gearbeitet, mit denen sich das Lesen mehrerer Textzeilen simulieren lässt. „Wir vermitteln unseren Testpersonen so einen ersten Eindruck. Wie bei einem Auto, das noch keinen Motor hat und angeschoben wird“, lacht Wolfgang Zagler. Die Entwickler habe noch viel zu forschen und zu lernen: Wie groß sollen die Buchstaben sein? Wie schnell lesen die User? Soll die Punktform spitzer oder runder sein? Wie fühlen sich die Punkte nach einem Jahr an? Alle diese Fragen fließen in den Entwicklungsprozess ein, an dessen Ende ein kundengerecht gestaltetes Produkt stehen soll.

Funktionsweise

Die sechs tastbaren Punkte der Brailleschrift, aus denen jeder Buchstabe erzeugt werden kann, wurden in drei Zweiergruppen in Form von Quadern zerlegt, die einzeln drehbar sind. Auf einer Quaderfläche sind zwei Punkte abgebildet, auf den benachbarten je ein Punkt und gegenüber kein Punkt – so lassen sich durch Verdrehen der drei Quader alle 64 Kombinationen der Brailleschrift anzeigen. 16 solcher drehbarer Dreiergruppen sind zu einem rotierenden Ring zusammengefasst, auf dessen Innenseite Brailleschrift gelesen werden kann. „Ähnlich wie bei einer Computermaus bewegt man das Gerät über die Tischfläche. Dadurch wird der Ring in Bewegung versetzt und die Braillebuchstaben, die bei jeder Umdrehung neu gebildet werden, laufen unter dem tastenden Finger durch. So entsteht der Eindruck einer unendlich langen Zeile. Der Lesefluss und das Tempo werden durch die Bewegung der eigenen Hand gesteuert“, erläutert Zagler das Funktionsprinzip.

Vorteile

Die Vorteile des revolutionären Braille-Displays liegen auf der Hand: Es ist kompakt, mobil einsetzbar und ermöglicht eine unbeschränkte Zeilenlänge. Das technische Konzept sieht vor, dass Elektronik, Steuereinheit und Stromversorgung gekapselt werden – also staub- und wasserdicht verbaut sein sollen. „Nur der Anzeigeteil mit den Quadern darf verschmutzt sein und soll vom Nutzer selbst gereinigt werden können“, so Zagler. Die modulare Bauweise bringt eine deutliche Senkung der Kosten bei Herstellung, Wartung und Anschaffung. „Unser Braille-Display soll in etwa so viel wie ein gutes Smartphone kosten.“

Dieses Konzept ist eine enorme Verbesserung gegenüber der herkömmlichen Braillezeile, deren Zeichenanzahl bei mobilen Geräten auf 20 bis 40 beschränkt ist. Stationäre Braillezeilen mit 80 Zeichen kosten rund 8.000 Euro. Die Wartung ist ebenfalls kostenintensiv, weil das Gerät in der Werkstatt komplett zerlegt werden muss. Zudem sind einzelne, bewegliche Stifte fehleranfälliger als die drehbaren Quader.

Finanzierung

Wolfgang Zagler und sein 5-köpfiges Team haben 2017 die Arbeitsgruppe TETRAGON ins Leben gerufen, um die Entwicklung ihres innovativen Braille-Displays voranzutreiben. Ein Förderantrag soll bei der Verwertung des zukunftsweisenden Konzepts helfen und die Gründung eines Start-up-Unternehmens ermöglichen. Die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) hat im Herbst 2017 die Initiative „Spin-off Fellowship“ gestartet, die dazu beitragen soll, Forschungsergebnisse in konkrete Geschäftsideen zu gießen und diese bis zur Gründung eines Unternehmens vorantreiben. „Damit will man akademische Patente besser verwerten und die Forschung im Land halten“, so Zagler. Bis Mai 2018 soll die Entscheidung über die Förderung fallen. Wenn alles klappt, könnte das Produkt bis Ende 2019 serienreif sein.

Visionen

Die Anwendungsmöglichkeiten sind zahlreich. Aufgrund seiner robusten Bauart kann das neue Braille-Display auch für die Frühförderung und den Unterricht blinder Kinder eingesetzt werden. Für die Entwicklungsländer, in denen rund 90 Prozent der blinden Menschen weltweit leben, soll es ein einfaches Modell geben, das auf klimatische Verhältnisse und Umweltbedingungen abgestimmt ist und dessen Preis niedriger liegt. „Aber das ist noch Zukunftsmusik“, räumt der engagierte Wissenschaftler ein. „Aktuell sind wir noch auf der Suche nach einem Namen für unsere Entwicklung!“

Konstruktive Vorschläge und Feedback sind ebenso willkommen wie Interessenten und Testpersonen!

Kontakt:
Dipl. Ing. Dr. Wolfgang Zagler
ARGE TETRAGON
Tel. 0681/ 2065 2038
E-Mail: wolfgang.zagler@tetragon.at