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Wie macht man Öffis barrierefrei?

Mobilität

Wir diskutieren die täglichen Herausforderungen im öffentlichen Personenverkehr für blinde und sehschwache Personen. Öffentliche Verkehrsunternehmen präsentieren ihre Lösungsansätze.

Vor etwas mehr als einer Woche fand bei der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs eine kleine hybride Konferenz zum Thema barrierefreier öffentlicher Verkehr statt. Am 5. April 2023 ab 13:00 Uhr waren sieben Unternehmen eingeladen, ihre technischen Lösungen für mobilitätseingeschränkte Menschen, mit Fokus auf blinde und sehbehinderte Menschen, im öffentlichen Verkehr zu präsentieren. Das Publikum bestand aus Vertreter:innen von Österreichs wichtigsten Verkehrsunternehmen wie der VOR GmbH, den ÖBB, den Wiener Linien, Postbus GmbH und den Wiener Lokalbahnen. Ziel war es, die großen Verkehrsunternehmen mit den neuesten technischen Möglichkeiten für mobilitätseingeschränkte Personen im öffentlichen Verkehr vertraut zu machen und neue Kooperationen zu ermöglichen.

Folgende Herausforderungen für blinde und sehbehinderte Personen im Bereich Mobilität wurden besprochen:

  • Wann kommt der Zug oder Bus v.a. bei Verspätungen?
  • Welche Linie kommt gerade eingefahren?
  • Wo steht das Fahrzeug genau?
  • Wo befindet sich der Knopf zum Öffnen der Türen?
  • Wieviele Haltestellen bis zum Aussteigen?
  • Längere Aus- oder Einstiegszeiten

Hier die präsentierten Lösungsansätze der Unternehmen in aller Kürze zusammengefasst:

App Step Hear

Yael Shomron von der israelischen Firma Step Hear hat ihre innovative App für Smartphones vorgestellt. Diese bietet vielfältige Funktionen, um die Mobilität im öffentlichen Verkehr für Menschen mit Seheinschränkungen oder im Rollstuhl zu verbessern. Die App ermöglicht beispielsweise das Einschalten von akustischen Ampeln in der Nähe, das Versenden von Meldungen an Busfahrer:innen um einen Ausstiegwunsch kundzutun oder um sich schon an der Haltestelle anzukündigen, eine Navigation für das Finden von Busstationen sowie Informationen über Verkehrslinien. Man kann für die Anwendung aus 6 Sprachen wählen. Die App kann sogar bei Notfallevakuierungen hilfreich sein und zum Notausgang hin-navigieren. Die App wird bereits in Jerusalem und Spanien eingesetzt und kann kostenlos heruntergeladen werden.

Mehr dazu: Step-Hear orientation & navigation app and devices for visual impaired and people with disabilities - YouTube

Oder (Problem Akustikampel): Step-Hear's Solution for Accessibility at Pedestrian Traffic Lights for people with blindness - YouTube

Intros ÖV Radar App

Trapeze-Elgeba GmbH aus Berlin hat ebenfalls eine App als technische Lösung für barrierefreie Mobilität entwickelt, vorgestellt von Product Manager Manfred Retka. Intros ÖV Radar funktioniert wie ein Orientierungssystem per App, das Menschen mit Sehbehinderungen oder Mobilitätseinschränkungen hilft, sich im öffentlichen Verkehr zurechtzufinden. Die App ermöglicht dem User live-Fahrplaninformationen, zeigt Haltestellen in der Nähe und bietet die Navigation im Liniennetz. Der User kann außerdem abrufen, welche Fahrzeuge gerade eingefahren sind, kann den User zum gewünschten Fahrzeug navigieren und einen Hands-free Einstieg ermöglichen. Im öffentlichen Verkehrsmittel kann der User dann nochmal die Infos der Linie abrufen und einen Haltestellenwunsch äußern, der direkt an das Fahrpersonal geht. Die App ist bereits in einigen Bundesländern Deutschlands implementiert und kann von Leuten ohne Smartphone auch alternativ mit einem Handsender genutzt werden. Trapeze ist außerdem Teil von "LOC.id“, einer Meta-App, die smarte Infrastruktur erkennt und dem User die jeweils relevante App anzeigt. LOC.id soll die Auswahl der richtigen App für ihre Bedürfnisse erleichtern. Die Lösungen von Trapeze-Elgeba sind konfigurierbar und ermöglichen eine individuelle Anpassung an die Bedürfnisse der nutzenden Person.

Mehr dazu: Intros ÖV Radar - Schweizerischer Blinden- und Sehbehindertenverband - YouTube

Smart City System LETIsmart

Das italienische Smart City System von SCEN dient der akustischen Orientierung im öffentlichen Verkehr und der Kommunikation zwischen mobilitätseingeschränktem User und Fahrpersonal. Für blinde und sehbehinderte Personen spannend ist v.a. das Produkt LETIsmart voce, ein kleines sprechendes Gerät, das man in den Handgriff seines weißen Stocks einbauen kann, ebenso wie die dazugehörigen Lichter (LETIsmart luce), die sich als Teil des weißen Stocks automatisch aktivieren und für bessere Sichtbarkeit im Dunkeln sorgen sollen. Wer keinen weißen Stock nutzt, kann das Gerät LETIsmart voce auch so mit sich tragen. Das Gerät gibt dem User Informationen über Chips / Tags in der Nähe, die etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in einer virtuellen Map (zB vor Shops) eingetragen sind. Für heranfahrende Busse etwa kann das Produkt ankündigen, welche Linie gerade einfährt. Für Shops, an denen man vorbeispaziert, kann man zB den Namen abrufen. Werden auch Schilder für den Notfall-Ausgang mit einem Chip versehen, kann man auch diese abrufen. In allen drei Fällen kann man sich auch zum Chip hin navigieren lassen. Das Gerät kann zwischen mehreren Benutzermodi wechseln, zB „indoor“ oder „urban information“, um Informationsflut zu vermeiden.

Mehr dazu: LETIsmart white blind cane VOCE by SCEN & UICI - YouTube

Audio-Augmented-Reality in App Dreamwaves

Entwickler Hugo Furtado hat einen anderen Ansatz vorgestellt: Navigation mittels Audio-Augmented-Reality. Entwickelt speziell für blinde und sehbehinderte Menschen in Zusammenarbeit mit der Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs, ist das Ziel der App, sich hörend überall hinbewegen zu können. Dies geschieht mithilfe von Audiosignalen, die neben den wahrgenommenen Geräuschen der Umwelt integriert werden. Startet man die Navigation von A nach B, startet ein Audiosignal, das akustisch wahrnehmbar macht, ob man an einer Kreuzung nach links oder rechts gehen soll. Besonders spannendes Feature: Man kann in wenigen Minuten eine Karte für einen Innenraum erzeugen und dort seine eigenen Audio-Punkte setzen, um sich später wieder dorthin navigieren zu können. Denkbar wäre das System auch für das Taggen von Baustellen, die in der App dann angezeigt werden können und Verletzungsgefahren vermeiden könnten.

Mehr dazu: Wave Out demo - YouTube

Guide-Me Videoassistenzsystem

Das Videoassistenzsystem Guide-Me wurde von Werner Bischof vorgestellt. Über eine App kann man sich so eine reale Begleitperson virtuell zuschalten, wenn man Bedarf hat. Bei blinden und sehbehinderten Personen kann das beispielsweise benötigt werden, wenn man am Weg die Orientierung verliert, etwa aufgrund von neuen Baustellen und Wegänderungen. Konkret kann man sich das so vorstellen, dass geschulte sehende Navigator:innen auf Abruf bereitstehen und blinde oder sehbehinderte Nutzer:innen über eine App Kontakt aufnehmen können und, zB das Handy auf Bauchhöhe haltend, von der geschulten Navigator:in den Weg ansagen lassen.

Mehr dazu: POPTIS - YouTube

NaviLens Codes

Weil Schilder für sehbehinderte Menschen oft nur unter bestimmten Bedingungen und für blinde Menschen gar nicht lesbar sind, hat die spanische Firma NaviLens eine alternative Form der inklusiven Beschilderung erarbeitet. NaviLens hat einen mittels Smartphone scannbaren Code entwickelt, der im Gegensatz zu QR-Codes auch aus weiterer Entfernung gescannt werden kann und Informationen abrufbar macht. Die Idee: überall wo es Beschilderung gibt, werden solche Codes ergänzt (zB als Sticker), die beim Scannen Information ausspielen, etwa den Namen von etwas und die Entfernung zwischen dem Objekt und dem User. Das können beispielsweise Schilder der U-Bahn-Stationen sein oder Beschilderungen am Flughafen. Es gibt auch die Möglichkeit, den Code in ein taktiles Bodenleitsystem einzubauen, etwa bei Kreuzungen. Die aufklebbaren Codes werden bereits in mehreren Städten Spaniens wie in Barcelona sowie in UK im öffentlichen Verkehr genutzt. Außerdem gab es bereits Projekte, das auch bei Produkten im Supermarkt zu integrieren, etwa um selbstständig die richtige Cornflakes-Packung der Wahl auswählen zu können. Die App kann in 36 Sprachen bedient werden.

Mehr dazu: NaviLens Basics Tutorial - YouTube

Siut GmbH

Die Siut GmbH hat ein LED-Informationssystem für Wand und Boden entwickelt, das neben Funktionen wie Personenverteilung von Menschenmassen auf Bahnhofstationen die Kontrastwahrnehmung für blinde und sehbehinderte Menschen am Bahnsteig verbessern soll.