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Virtual Reality für sehbehinderte Menschen

Hilfsmittel & neue Technologien

Virtual und Augmented Reality bietet einige grundlegenden Vorteile, die Menschen mit Sehbehinderungen eine verbesserte visuelle Wahrnehmung bieten können. Mittels VR oder AR könnte man beispielsweise Dinge individuell heranzoomen, Lichtverhältnisse sowie Nähe und Distanz adaptieren. Außerdem könnte man vom virtuell erweiterten Sichtfeld profitieren. Eine kurze Einführung: Virtual und Augmented Reality sind Technologien, mit denen man die reale Welt durch virtuelle Elemente erweitern (AR) oder ganz in eine virtuelle Welt tauchen kann (VR).

Orientierungs- und Mobilitätstrainings

Mit VR könnten Menschen mit zunehmendem Sehverlust ihre gewohnten Wege üben. Natürlich braucht es auch weiterhin klassische Mobilitätstrainings vor Ort, aber VR könnte begleitend eingesetzt werden.

Ein Beispiel dafür geben Timo Repo (Experte für Augmented Reality) und Outi Lappalainen (Orientierungs- und Mobilitätsexpertin) vom Nationalen Zentrum für Bildung und Beratung „Valteri“ in Finnland, eine Einrichtung zur Förderung von Schüler*innen mit Unterstützungsbedarf. Das Duo wendet bereits Virtual Reality im Orientierungs- und Mobilitätstraining für Menschen mit Sehbehinderungen an, besonders spannend, zumal es einen Mangel an Mobilitätstrainer:innen gibt. Mit sehbehinderten Kindern haben sie VR in verschiedenen Bereichen getestet.

Damit sich die Kinder etwa schon im Vorfeld ihren Weg nach Hause oder ins Einkaufscenter anschauen können, wurden 360-Grad-Videos des Weges vorgedreht und diese mittels VR-Brille den Kindern vorgespielt. Hat man den Weg in virtueller Form, kann man mit VR-Brille so oft man möchte selbstständig und gefahrlos mehrere Routen üben. Man kann nämlich auch das Video stoppen, an den Rand zoomen und das Bild drehen, etwa um Orientierungspunkte zu suchen. Was sich schnell zeigte: die Videos kamen beim jungen Publikum gut an und die Kinder hatten die geübten Wege schnell im Kopf.

Inklusive (Aus-)Bildung

Das finnische Duo hat sich nicht nur auf das Thema Mobilitätstraining konzentriert, sondern auch in anderen (Aus-) Bildungsbereichen experimentiert. Sie haben mit den Kindern virtuell das Innere eines Operngebäudes besucht, Filme geschaut, mittels Google Earth Geografie vermittelt und für den Biologie-Unterricht den menschlichen Körper visualisiert. Dadurch wurde den Kindern mit Sehbehinderungen ermöglicht, sich stärker am Diskurs im Unterricht zu beteiligen.

VR/AR könnte von sehbehinderten Personen in vielen Bereichen der Bildung als Hilfsmittel genutzt werden (z.B. für erweitertes Sichtfeld, individuelle Vergrößerung, angepasste Lichtverhältnisse), wie etwa das klinisch validierte medizinische Headset SightPlus zur verbesserten Sehkraft, welches man bereits als registriertes Hilfsmittel kaufen kann. Weitere VR/AR-Produkte als Hilfsmittel findet man hier.

Für mobilitätseingeschränkte oder chronisch kranke Personen könnten virtuelle Lernräume (Immersive Learning) neue Möglichkeiten bieten. Die britische Firma Avantis System beispielsweise hat extra für den Klassenraum ein VR-Headset entwickelt.

David Checa ist Professor an der Universidad de Burgos in Spanien und entwickelt mit seinen Kolleg:innen VR-Spiele für den Bildungsbereich, etwa zum virtuellen Erforschen eines Motors oder PCs für Studierende der Ingenieurswissenschaft oder in Form von Arbeitssicherheitskursen für Kranfahrer*innen. Was die Barrierefreiheit angeht, sieht Checa großes Potential in der Personalisierung der Applikationen. So soll es künftig eine Art Menü beim Start der Applikation geben, zur individuellen Anpassung von barrierefreien Features.

Gaming

Barrierefreies Gaming ist hochgefragt. Ja, auch blinde und sehbehinderte Menschen zocken gern, denn neben Arbeit und Bildung ist auch Unterhaltung ein wichtiger Teil unseres Alltags. Es gibt zwar eine große Bandbreite an Gaming, allerdings gibt es kaum barrierefreie Spiele für blinde und sehbehinderte Menschen. Oft liegt das an der Benutzeroberfläche.

Beim österreichischen Unternehmen Immerea OG, gegründet von den Künstler:innen und Architekt*innen Flavia Mazzanti und Manuel Bonell, erarbeitet man gerade einen Prototypen für ein barrierefreies VR-Spiel. Dies passiert in engem Austausch mit blinden und sehbehinderten sowie sehenden Spieler*innen.

Medizin

VR hat auch Potential in der Augenmedizin, etwa für Augentrainings, Sehtests und Diagnostik. Mit VR könnte man das selbstständig und von zuhause aus machen.

Ein deutsches Forschungsprojekt in Zusammenarbeit mit der Ludwig-Maximilians-Universität München und dem Bildungsministerium für Bildung und Forschung hat es sich zum Ziel gemacht, die medizinische Diagnose von AMD mithilfe von VR zu optimieren und für die Betroffenen eine neue Möglichkeit zum selbstständigen Erlernen von Bewältigungsstrategien zu schaffen.

Das US-amerikanische Sehtraining Vivid Vision ermöglicht Übungen in Virtual Reality für Betroffene von Amblyopie, Strabismus und ähnliche Binokular-Beschwerden. Man kann sie zuhause oder unter ärztlicher Betreuung durchführen. Ähnlich ist es bei dem deutschen Sehtraining am Smartphone „Myopiax“ zur Verlangsamung von Kurzsichtigkeit bei Kindern und Jugendlichen, welches aktuell noch klinisch getestet wird.

Schulung & Simulation

Wer weiß, wie man mit verschiedenen Augenerkrankungen die Welt wahrnimmt, kann bessere Produkte für blinde und sehbehinderte Menschen produzieren und seine Produkte testen. Augmented Reality könnte hier eine Brücke schaffen und durch das Simulieren von Augenerkrankungen einerseits bei Sensibilisierungsschulungen für sehende Menschen eingesetzt werden, andererseits für Berufsgruppen wie Entwickler*innen oder Architekt*innen, aber auch auszubildende Optiker:innen spannend sein. Hier gibt es auch schon einige AR/VR-Produkte, die das können. Gerade bei der Gestaltung von barrierefreien Produkten und Services gilt allerdings nach wie vor: Betroffene nach ihren Bedürfnissen fragen und sie von Beginn an in den Prozess einbeziehen. Das darf auch keine neue Technologie zur Gänze ersetzen.

Virtual Reality für blinde Menschen noch Zukunftsmusik

Während Virtual Reality für Menschen mit einem übrigen Sehvermögen verschiedene neue Möglichkeiten eröffnet, ist die Nutzung für blinde Personen bislang noch eher Zukunftsmusik und meist noch in Forschungssettings. Es gibt Ansätze nicht-verbaler nicht-visueller Virtual Reality, wie etwa Joysticks, Handschuhe oder Langstöcke über die man haptische Signale (zB durch Vibration) erfahren kann oder auditiv durch Signaltöne (3D Audio) und vorlesbare Bildbeschreibungen, die für die Weiterentwicklung von VR für blinde Personen spannend wird. Allerdings braucht es dafür auch die nötige Sensibilität für die Notwendigkeit von barrierefreien Designs vonseiten der Entwickler:innen und Produzent:innen.

Auf der Projektseite des Projekts VR4VIP findet man die einzelnen Vorträge der Konferenz.