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Recht auf Elternschaft

Beratung & Soziales

Knapp 14.000 Kinder leben nicht bei ihren leiblichen Eltern. Nicht selten ist eine Behinderung der Grund für Kindesabnahmen. Mütter mit Sehbehinderung erzählen.

Ein Sprichwort besagt: „Um ein Kind zu erziehen, braucht es ein ganzes Dorf“. Jeder der selber Kinder hat, wird die Idee hinter dem Spruch bejahen, dass Kinder mehrere Bezugspersonen brauchen, dass die Arbeit und die Verantwortung ein Kind zu erziehen, nicht nur die Mühe und Aufopferungsbereitschaft der Eltern, sondern auch die Fürsorge der Gesellschaft und des näheren Umfelds erfordert. Das können Verwandte, Freunde, Erzieherinnen und Erzieher oder Nachbarn sein.

Nie würde jemand auf die Idee kommen, einer Mutter oder einem Vater die Erziehungsfähigkeit abzusprechen, wenn diese oder dieser Rat und Unterstützung im näheren Umfeld sucht. Doch hat ein Teil oder sogar beide Eltern eine Behinderung, kann allein diese Tatsache dazu führen, dass jenen Eltern die Obsorge entzogen wird.

Kindesabnahmen in Österreich

Obwohl Österreich 2008 die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung ratifiziert hat, und demnach Eltern mit Behinderung in ihrer elterlichen Verantwortung unterstützen muss, sehen sich jene Eltern immer noch Kindesabnahmen und Diskriminierungen im Alltag ausgesetzt. Laut aktuellen Berichten leben in Österreich knapp 14.000 Kinder nicht bei ihren leiblichen Eltern. Nicht selten ist eine Behinderung der Grund für die Kindesabnahmen. Der massive Eingriff in die Eltern-Kind-Rechte hat oft langjährige und schwerwiegende Folgen. Dabei könnten traumatische Erlebnisse für Kinder und Eltern mit gezielten Unterstützungsmaßnahmen und einer offenen Kommunikation vermieden werden.

Wie ist es, Mutter mit einer Sehbehinderung zu sein?

Wir haben mit zwei Mitgliedern der Hilfsgemeinschaft gesprochen und sie gefragt wie es ist, Mutter zu sein, wenn man eine Sehbehinderung hat.

Unsere Mitglieder erzählen:

Gerlinde ist 40 Jahre alt und hat, ebenso wie ihr Mann, eine Sehbeeinträchtigung. Mit 24 Jahren wurde sie Mutter eines Mädchens. Anna ist jetzt 16 Jahre alt und sehbeeinträchtigt.

Natascha hat ihre Tochter Lara mit 32 Jahren bekommen. Die mittlerweile 12-Jährige besucht das Bundesblindeninstitut (BBI) in Wien.

Wollten Sie schon immer Kinder haben?

Gerlinde: Ich wusste schon sehr früh, dass ich einmal Mutter sein möchte. Ich habe meinen Partner und den leiblichen Vater meiner Tochter Anna bereits in der Schule kennengelernt. Er ist wie ich sehbeeinträchtigt. Vor der Schwangerschaftsplanung haben wir mit einem Arzt Kontakt aufgenommen, der das Risiko der Übertragung unserer Augenerkrankungen auf das Kind berechnete. Heraus kam, dass jedes siebte Kind erblinden würde. Wir haben uns dann für ein Kind entschieden. Mittlerweile ist Anna 16 Jahre alt.
Natascha: Ich habe ebenfalls eine Tochter – Lara. Sie ist jetzt 12 Jahre alt. Auch bei mir bestand eigentlich immer ein Kinderwunsch.

Wie hat Ihr Umfeld auf den Kinderwunsch reagiert?

Natascha: Glücklicherweise gab es bei uns nur positive Reaktionen. Meine Frauenärztin äußerte keinerlei Kritik an meiner Schwangerschaft und auch im Allgemeinen Krankenhaus (AKH) in Wien, wo ich entbunden habe und aufgrund eines Kaiserschnitts eine Woche im Krankenhaus war, gab es keine bösen Kommentare.
Gerlinde: Zu Beginn gab es bei uns keine negativen Erlebnisse oder Reaktionen. Wir haben uns gut vorbereitet. Bei der Geburt war ein Arzt anwesend, der Annas Augen genau untersuchte und keine Auffälligkeiten feststellen konnte. In den ersten Lebensjahren war dann alles unauffällig, erst mit dem Kleinkindalter machten sich die ersten Augenprobleme bemerkbar. Heute ist unsere Tochter sehbeeinträchtigt. Sie besucht jetzt im dritten Jahr eine Handelsschule (HASCH) in Wien. Ihr steht ein Begleitlehrer zu Verfügung und sie ist sehr gut integriert, nimmt an Sportveranstaltungen teil und hat viele „sehende“ Freunde. Trotzdem höre ich von Arbeitskollegen immer wieder Vorwürfe. Sie sagen, ich hätte kein Kind bekommen dürfen.

Wie sieht Ihr Alltag mit Kind aus und wie wirkt sich Ihre Sehbehinderung darauf aus?

Gerlinde: Mittlerweile ist meine Tochter ein Teenager und selbstständig. Doch auch zu Beginn hat meine Sehbeeinträchtigung und die meines Partners nur geringe Auswirkungen auf den Alltag gehabt. Wir waren viel auf Indoor-Spielplätzen unterwegs und haben verschiedenste Sachen unternommen. Wenn man mit einer Sehbehinderung aufwächst, eignet man sich im Laufe des Lebens einige Tricks an. Ein Leben mit Sehbeeinträchtigung und Kind ist nicht unmöglich, nur anders als für sehende Menschen.
Natascha: Im Haushalt mache ich alles selber. Als Hilfsmittel habe ich eine kleine Lupe. Meine Tochter verwendet eine elektrische Lupe, in der Schule wird nur am Computer gearbeitet – es gibt keine Klassentafel. Wenn wir neue Orte besuchen, müssen wir uns diese vorher im Stadtplan gut anschauen. Aber ich glaube, das machen sehende Personen meist auch.

Ich erinnere mich noch gut - als Lara ein Baby war - brauchte ich Hilfe beim Schneiden der Finger- und Fußnägel. Das war alleine nicht möglich.

Gibt bzw. gab es Unterstützungs- und Beratungsangebote, die sie in Anspruch genommen haben?

Natascha: Vor der Geburt meiner Tochter besuchte ich eine Elternschule im 10. Bezirk. Dort lernt man bereits vor der Geburt viele nützliche Tricks und Techniken. Zum Beispiel wie man ein Baby richtig hochhebt. Da gibt es zwischen sehenden und sehbeeinträchtigten Personen keinen Unterschied. Außerdem hatten wir eine Hebamme.
Gerlinde: Wir hatten keine Unterstützung oder persönliche Assistenz. Zu Beginn, als unsere Tochter noch ein Baby war, kam meine Schwiegermutter oft zu Besuch und half mit. Bei Fragen wandte ich mich an die Mutterberatung.

Welche Unterstützungsangebote würden Sie sich für Eltern mit Behinderung wünschen?

Natascha: In der Anfangsphase wäre mehr Unterstützung sehr hilfreich. Vor allem von den Gebietskrankenkassen. Beispielsweise wird eine Hebamme die nach Hause kommt nur zur Hälfte bezahlt. Mehr finanzielle Hilfe wäre erforderlich. Vor allem bei der Babypflege ist es wichtig, dass jemand einmal in der Woche kommt und unterstützend zur Seite steht. Bei der Entbindung im Krankenhaus sollte das Pflegepersonal auf die Bedürfnisse der beeinträchtigten Mütter eingehen, beispielsweise bestimmte Handgriffe öfters zeigen.
Gerlinde: Hilfe und Unterstützungsangebote, die auf die individuellen Bedürfnisse der Eltern Rücksicht nehmen. Ideal wäre natürlich eine bezahlte Elternassistenz.

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