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Pflegegeld: Eine politische Errungenschaft wird 30

Beratung & Soziales

Am 1. Juli hatte das Pflegegeld Geburtstag. Eine zentrale Forderung der österreichischen Behindertenrechtsbewegung ist 30 Jahre alt geworden.

1. Juli 1993. Das war der Tag, an dem das Pflegegeld in Österreich zum ersten Mal ausbezahlt wurde. Für viele Menschen mit Behinderungen in Österreich war dies ein historisches Ereignis. Mit dem Bundespflegegeldgesetz wurde das Pflegegeld eingeführt und es reguliert nach wie vor dessen Ausbezahlung. Die Idee hinter dem Pflegegeld: erstmals jene Menschen in Österreich finanziell zu unterstützen, die einen finanziellen Mehraufwand aufgrund von Betreuungs-, Hilfs- oder Pflegebedarf haben. Damit soll der notwendige Bedarf gesichert und so längerfristig ein selbstbestimmtes Leben ermöglicht werden. Bis zu dem Zeitpunkt gab es keine bundesweit einheitliche finanzielle Unterstützungsmaßnahme für Menschen mit Behinderungen, sondern jedes Bundesland hatte eine eigene oder keine Form der Unterstützung.

Einstufung des Pflegegelds

Doch wer bekommt eigentlich Pflegegeld? Und wenn ja, wieviel? Grundsätzlich muss man bestimmte Voraussetzungen erfüllen, um überhaupt anspruchsberechtigt zu sein. Der Pflegebedarf muss mindestens sechs Monate andauern. Sind die Anspruchskriterien erfüllt, wird die Einstufung vorgenommen. Davon hängt ab, wie hoch das Pflegegeld ist, das monatlich ausbezahlt wird. Beim Pflegegeld unterscheidet man zwei Arten der Einstufung:

  1. Die diagnosebezogene Einstufung: Bei vorliegender hochgradiger Sehbehinderung wird in der Regel Stufe 3, bei Blindheit Stufe 4 ausbezahlt.
  2. Die funktionsbezogene Einstufung: hier wird der monatliche Pflegebedarf in Stunden erhoben. Diese Art der Einstufung wird zuhause, im Pflegeheim und ggf. auch im Krankenhaus bei der ansuchenden Person durchgeführt, etwa durch die Überprüfung des Unterstützungsbedarfs beim Reinigen der Wohnung, beim Einkauf von Nahrungsmitteln oder der Beheizung des Wohnraumes. Die Überprüfung kann von Ärzten oder Ärztinnen und seit kurzem auch durch eine diplomierte Pflegefachkraft vorgenommen werden.

Das Einkommen einer Person hat keinen Einfluss auf die Einstufung des Pflegegelds.

Wichtige Errungenschaft für die Behindertenrechtsbewegung

Das Pflegegeld zählt bis heute zu den wichtigsten Errungenschaften der österreichischen Behindertenrechtsbewegung, weil es erstmals eine finanzielle Unterstützungsleistung mit Rechtsanspruch für Menschen mit Behinderungen in ganz Österreich gesetzlich festschrieb. Die Initiative kam hierbei von der Community und das Gesetz wurde unter intensivem Mitwirken von Behindertenrechtsaktivistinnen und -aktivisten umgesetzt. Ab 1986 gab es Petitionen unter der Führung von ÖZIV (damals Leitung durch Klaus Voget, später auch Präsident des Österreichischen Behindertenrats) mit der Kernforderung: „Pflegegeld für alle schwerbehinderten Menschen“. Anfang der 90er Jahre haben Vertretungsorganisationen sowie Aktivistinnen und Aktivisten mehrere Demonstrationen organisiert und sogar einen 10-tägigen Hungerstreik im Parlament angetreten, um so den Druck auf die Politik zu erhöhen, bis das Gesetz schließlich umgesetzt wurde.

Kampf für die Blindenbeihilfe in den 50er Jahren

Vorher gab es de facto in jedem Bundesland andere Regelungen, für blinde Menschen gab es etwa in manchen Bundesländern ab Mitte der 50er Jahre die sogenannte Blindenbeihilfe. Dafür hat sich die Hilfsgemeinschaft (damals noch unter dem Namen „Hilfsgemeinschaft der später Erblindeten Österreichs) zuvor gemeinsam mit dem Österreichischen Blindenverband eingesetzt und ab 1955 in Kundgebungen ein Blindenpflegegeld auf Landesebene gefordert. In Vorarlberg wurde nach politischen Verhandlungen das Körperbehindertengesetz implementiert, welches neben blinden Menschen auch körperbehinderten Menschen eine finanzielle Unterstützung bot. Auch in Wien erreichte die blinde und sehbehinderte Community im Zuge der Forderungen die Schaffung des sogenannten Blindenbeihilfegesetzes.

Später wurde es vom Bundespflegegeld abgelöst, das neben dem Behindertenpass bis heute eine der wichtigsten Stützen für ein selbstbestimmtes Leben mit Behinderungen im österreichischen Sozialrecht darstellt.

Wir bieten Unterstützung

Wir als Hilfsgemeinschaft der Blinden und Sehschwachen Österreichs haben vor allem in der Beratung mit dem Pflegegeld zutun. Bei uns kann man sich zum Pflegegeld beraten lassen, über die Einstufung informieren und Unterstützung bei der Antragsstellung holen. Im Falle einer Ungleichbehandlung unterstützen wir unsere Mitglieder auch bei der Beeinspruchung des Pflegegelds.

Falls ihr mehr zur Österreichischen Behindertenrechtsbewegung wissen möchtet, schaut mal in die Zeitleiste von Bidok. Das Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, Behindertenrechtsgeschichte aufzuzeichnen.