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Leiterin Singgruppe Kunterbunt im Porträt

Beratung & Soziales, Freiwillige

Von Hilfesuchender zur ehrenamtlichen Leiterin der Singgruppe: Ich bin relativ früh wegen meiner Augenprobleme aus dem Arbeitsleben ausgeschieden, das war eine sehr schwierige Zeit.

Von der Hilfesuchenden zur ehrenamtlichen Leiterin der Singgruppe „Kunterbunt“

Ich bin relativ früh – mit 45 Jahren – wegen meiner Augenprobleme aus dem Arbeitsleben ausgeschieden, das war eine sehr schwierige Zeit. Bereits mit 30 habe ich gewusst, dass es etwas Gröberes ist. Niemand konnte mir sagen, wie es sich entwickelt, aber ich hatte ein inneres Ziel, das hieß „bis 50 noch arbeiten“, denn ich wollte meinen Beitrag, auch in der Familie, leisten.

Bei einem Termin im Krankenhaus ging die Tür auf und ein Arzt rief: „Bei uns sind Sie falsch, wir können Ihnen leider nicht helfen! Sie verlieren das zentrale Sehen. Sie gehören zur Hilfsgemeinschaft!“ Ohne Vorwarnung diese Info, Worte, die so viel verändern. Ich habe vor dem AKH geweint.

Heute sehe ich da, wo ein Gesicht ist, nur einen großen grauen Fleck und Umrisse vom Raum.

Berufsleben mit Sehbehinderung

Damals habe ich aber noch mehr gesehen bei der Erstberatung in der Hilfsgemeinschaft. Ich war noch im Berufsprozess und hatte einen behindertengerechten Arbeitsplatz. Mit der Zeit ist es immer schlechter geworden, dauernd sind mir Fehler bei der Arbeit passiert, ich habe falsche Geldbeträge überwiesen.

Irgendwann, nachdem das Pflegegeld beantragt worden war, ging es gar nicht mehr. Ich bin im Büro vor dem Monitor gesessen – und sah nichts. Ich habe geweint, der Druck war groß. So viel wie zu der Zeit habe ich nie geweint. Die ganzen letzten Monate hatte mich meine Arbeitskollegin unterstützt, mir die Zahlen am Monitor vorgelesen. Sie hatte – so mein Gefühl – mehr Arbeit damit, als ich leisten konnte. Ich habe dann meiner Beraterin in der Hilfsgemeinschaft eine Mail geschrieben, dass ich jetzt sofort kündige, weil ich nicht mehr kann.

Ich hatte großes Glück, und ich bin ihr heute noch dankbar, dass sie meine Nachricht sofort gesehen und mir geantwortet hat: „Denk nach, du gehst jetzt in den Krankenstand und wir beantragen die Berufsunfähigkeitspension.“

Als die Pension genehmigt wurde, war der ganze Druck weg, mein Chef sagte: „Ich hätte mir nie gedacht, dass es so schlimm ist!“ Ich hatte mich in der Arbeit bis zum Schluss zusammengerissen. In der Pension dann fiel ich in ein tiefes Loch: Ich war zu Hause, mit 45 Jahren, während andere noch mitten im Leben standen. Frühere Nebenaufgaben wurden zu Hauptaufgaben, ob das erfüllend ist? Ganz banale Dinge wie Gemüse schälen oder schneiden waren unmöglich. Im Endeffekt konnte ich ja nicht sehen, was ich tue.

Nette Leute in der Singgruppe

Ich habe in der Hilfsgemeinschaft im Blindenschriftkurs, den ich zwei Jahre lang besuchte, nette Leute kennengelernt. Sie haben mir gezeigt, wie man Wasser einschenkt oder Zwiebel schält. Ich habe zum ersten Mal wieder dazugehört, Gleichgesinnte gefunden, mich wohler gefühlt. Nach einiger Zeit im Blindenschriftkurs hat eine Freundin zu mir gesagt: „Komm doch mal mit in die Singgruppe!“

So bekam ich immer mehr Kontakt zu Leuten, die mich verstanden haben. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr alleine zu sein in dieser Situation, denn sonst war ich immer „Exotin“. Durch Zufall habe ich die Leitung der Singgruppe als Freiwillige übernommen, es gefällt mir irre gut, die Aufgaben, das Gemeinschaftliche! Ich mache das mit Harald gemeinsam und habe versprochen, so lang wie irgendwie möglich dabei zu bleiben. Der Zusammenhalt ist mir wichtig und ich kann für andere blinde und sehbehinderte Menschen etwas tun, es kommt so viel zurück. Sie machen mir Mut.

Positive Energie und lächelnde Menschen

Die Hilfsgemeinschaft hat mir geholfen, einen Weg zu finden, einen Plan – auch finanziell, ich fühle mich respektiert und habe Aufgaben. Alleine sitzt man völlig ratlos da, man fragt sich, wie geht das Leben weiter? Ich war froh, dass da Leute sind, die sich auskennen, wissen, wie man durchkommt.

Ich bin so dankbar, dass es die Hilfsgemeinschaft gibt. Das Ganze ist jetzt vier Jahre her, ich habe ein soziales Netzwerk und kann anderen ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Das alleine reicht! Ich sehe das Lächeln der Menschen bei den Auftritten der Singgruppe zwar nicht, aber ich spüre die positive Energie. Das ist für mich ein gelungener Tag!