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Diabetische Netzhaut-Erkrankung erkennen mit KI

Hilfsmittel & neue Technologien

Die vor einigen Jahren angekündigte digitale Revolution in der Augenheilkunde ist klinische Realität geworden: Seit Mitte des Jahres 2019 ist es an der MedUni Wien bzw. im AKH Wien möglich, mit einem automatischen, digitalen Netzhautscreening und ohne Hilfe von Augenmedizinern eine diabetische Netzhaut-Erkrankung zu erkennen.

„Weltweit gibt es 420 Millionen Menschen, die an Diabetes leiden, aber nur rund 15 Prozent gehen rechtzeitig zum Augenarzt, sodass bleibende Schäden mit schwerem Sehverlust vermieden werden können“, erläutert Univ.-Prof. Dr. Ursula Schmidt-Erfurth, Leiterin der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie der Medizinischen Universität Wien und des AKH Wien. „Netzhautschädigungen sind weltweit die häufigste Ursache für irreversible Sehbehinderungen bei Menschen im erwerbstätigen Alter. 75 Prozent aller Diabetikerinnen und Diabetiker erleiden langfristig einen derartigen Schaden.“

Diagnose mit Roboter

Nun gibt es eine (KI) Künstliche-Intelligenz-Lösung, die kostengünstig und effizient dafür sorgt, dass diese Früherkennung bereits in der allgemeinen medizinischen Routine stattfindet: Eine Roboter-Kamera, die nicht größer als eine Kaffeemaschine ist und rund 20.000 Euro kostet, ist unter der Leitung der Universitätsklinik für Augenheilkunde und Optometrie in drei diabetologischen Abteilungen an der MedUni Wien bzw. im AKH Wien und in der Rudolfstiftung im Einsatz und diagnostiziert binnen weniger Minuten, ob bei Diabetikern bereits eine Schädigung der Netzhaut vorliegt, die behandelt werden muss. „Die Patientinnen und Patienten setzen sich vor die Kamera und fünf Minuten später kommt der Befund aus dem Drucker“, sagt Schmidt-Erfurth, die auch das Christian Doppler Labor für künstliche Intelligenz am Auge leitet. „Der Roboter gibt ganz eindeutig an, ob aktuell keine Schädigung, eine moderate oder eine, die unbedingt behandelt werden muss, vorliegt und bahnt den direkten Weg zum Augenarzt.“

Netzhautbild zeigt Strukturveränderungen

„Mit zwei Millionen Pixel bzw. Datenpunkten wird ein extrem scharfes Bild der Netzhaut auf genommen und die Daten digital abgeglichen“, erklärt Assoc. Prof. Priv.-Doz. Dr. Andreas Pollreisz, Netzhaut-Experte der MedUni Wien bzw. des AKH Wien. Anhand dieses Fundusfotos werden anatomisch relevante Strukturen wie Makula, Sehnerv oder Blutgefäße von einem Algorithmus identifiziert und die gesamte Bildaufnahme auf pathologische diabetesbedingte Veränderungen untersucht. Charakteristische Diabetesmerkmale sind Mikroaneurysmen (das sind winzige Aussackungen an feinen Blutgefäßen), Blutungen innerhalb der Netzhautschichten, harte Exsudate (das sind Ablagerung von Fettstoffen in der Netzhaut) oder Gefäßneubildungen auf der Netzhaut, die Zeichen für ein bereits weit fortgeschrittenes Stadium der diabetischen Retinopathie darstellen.

KI ist schneller

Internationale Studien haben gezeigt, dass die Künstliche Intelligenz in der Diagnostik mit ihren exakten Algorithmen genauer und schneller ist als die Fachleute. Schmidt-Erfurth: „Das, was hier analysiert wird, kann der Experte mit freiem Auge nicht mehr erkennen.“ Am Ende der diagnostischen Kette steht dennoch die Ärztin bzw. der Arzt: Nur diese können anhand des Bildes einschätzen, welcher Behandlungsschritt folglich nötig ist und gegebenenfalls die Operation durchführen – ganz individuell im Sinn der Präzisionsmedizin. Zugleich werden aber alle positiven Befunde und auch jene, wo es kein Ergebnis gab – etwa wegen eines vorgelagerten Grauen Stars – im Vienna Reading Center der MedUni Wien wissenschaftlich kontrolliert.

Vorsicht geboten

Klinikleiterin Schmidt-Erfurth warnt vor unseriösen Screening-Angeboten im Internet oder vor Apps. „Das von uns verwendete, in den USA entwickelte IDx-DRSystem ist das weltweit einzige, das zugelassen und durch große Studien abgesichert ist. Nur mit solchen Komplettsystemen gibt es eine diagnostische Sicherheit.“