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Erinnerungen

Persönlichkeiten

Wer häufig intensiven Kontakt mit Menschen hat, hört natürlich auch die unterschiedlichsten Lebensgeschichten. Heute hören wir die abwechslungsreife und interessante Lebensgeschichte von Friedrich Dvorak.

Friedrich Dvorak blickt mit uns auf 95 ereignisreiche Jahre zurück

Wer häufig intensiven Kontakt mit Menschen hat, hört natürlich auch die unterschiedlichsten Lebensgeschichten. Manche sind so interessant und abwechslungsreich, dass sie Stoff für Bücher oder Filme liefern könnten. Eine solche Geschichte kann unser Mitglied Friedrich Dvorak erzählen. Im Zweiten Weltkrieg fuhr er als Torpedomechaniker zur See und überstand mehrere Schiffsuntergänge. Als Kriegsgefangener überlebte er nur knapp die harte Zwangsarbeit beim Bau des Tauernkraftwerkes Kaprun. Der fesche Friedrich liebte die Frauen und die Frauen liebten ihn. Im Laufe seines langen Lebens ist er mehrere Verbindungen eingegangen, aber nicht alle waren glücklich.

Blaues Blut

Der Spross einer Adeligen und eines Mühlbauern wurde 1922 geboren. „Mein Urgroßvater mütterlicherseits war Ritter, ich habe 1/ 8 blaues Blut in mir“, scherzt der sympathische Pensionist. Anna, seine Mutter, war Hofdame bei der Baronin. „Mein Vater wurde von der adeligen Familie meiner Mutter abgelehnt, aber sie war schon schwanger mit mir.“ Als Kind erlebte er glückliche Zeiten im Schloss Raabs, gefolgt von harten und entbehrungsreichen Jahren, als die kleine Familie nach Wien zog. „Meine erste lange Hose habe ich mit 12 bekommen, ich besaß nur ein paar Schuhe und wir waren arm. Mein Vater arbeitete als Bautischler.“ Um Frau und Kind durchzubringen, baute er privat Möbel und wurde mehrmals angezeigt. Wenn er wegen Schwarzarbeit im Gefängnis saß und die Mutter weinte, sagte er nur: „Hier geht es mir besser als zu Hause, weil es mehr zu essen gibt.“

Lehrjahre

1937 ging Friedrich zu seinem Onkel in Raabs im Waldviertel als KFZ-Mechaniker in die Lehre. Als er 1941 im Alter von 19 Jahren zum Militär musste, entschied er sich für die Marine und absolvierte die Kadettenschule. Aber kurz bevor er zum Fähnrich ernannt werden sollte, passierte ihm ein Missgeschick: „Die Verpflegung war so schlecht, da habe ich mir eine Bauerntochter angelacht und sie mit dem Zug besucht, dort bekam ich besseres Essen. Allerdings wurde ich dabei erwischt. Weil ich mich unerlaubt von der Truppe entfernt hatte, blieb ich ein kleiner Matrose.“ Schließlich landete er als Torpedomechaniker auf einem Schnellboot, das 1943 gleich bei der zweiten Feindfahrt vor der Mündung der Themse „abgesoffen“ ist. Drei Monate später erlitt er wieder Schiffbruch, dieses Mal mit einem Splitter im Fuß. Ein Jahr danach zog er sich beim Beschuss seines Bootes eine schwere Augenverletzung zu. „Neben mir war die Nebelkanne explodiert und verbrannte mein Gesicht. Dass ich sofort ins Wasser sprang, rettete mich. Damals war ich jung und kräftig. Ich konnte drei Minuten lang die Luft anhalten und zwei Minuten tauchen! Einige Monate lag ich mit einer Hornhautverletzung im „schwarzen Zimmer“ im Lazarett in Deutschland. Vier Monate lang war ich blind, aber dann kam meine Sehkraft zurück und ich musste wieder zu meiner Einheit in Norwegen, die in Swinemünde ihren Heimathafen hatte.“

Gute Konstitution

Später in der Gefangenschaft, half ihm seine gute Konstitution zu überleben. Als Kriegsgefangener der Amerikaner nahm er bei der Zwangsarbeit am Tauernkraftwerk Kaprun in Salzburg innerhalb von acht Monaten 16 Kilo ab. „Als ich schließlich im Jänner 1946 nach Wien zurückkehrte, erkannte mich meine eigene Mutter nicht mehr wieder, weil ich nur noch 56 Kilo wog. Sie ging am Bahnhof an mir vorbei“, erinnert sich Friedrich Dvorak. Trotz allem begann er kurz darauf bei der Gemeinde Wien als Facharbeiter. Weil er einen Führerschein besaß, wurde er bald als LKW-Chauffeur eingesetzt, später als Bus- und Straßenbahnfahrer. Im November 1948 heiratete er Leopoldine, eine Witwe mit einem 6-jährigen Sohn, die aber schon nach wenigen Jahren an Krebs erkrankte und verstarb. Danach folgten zwei weitere Ehen, über die er jedoch nicht so gerne spricht.

1972 heiratete er seine Elisabeth, die er im Winter 1966 kennen- und lieben gelernt hatte. Mit ihr verbrachte er viele glückliche Jahre. Als Privatchauffeur verdiente er gutes Geld und die beiden konnten sich einiges leisten. Vor allem die gemeinsamen Urlaube in der Oststeiermark, in Maria Fieberbründl, sind Friedrich Dvorak in guter Erinnerung. Bis auf den einen Tag im Jahr 2007, als die beiden früh morgens auf Urlaub fuhren und seine Frau zu Mittag tot war – sie verstarb an einem Gehirnschlag. „Seit meine Frau tot ist, habe ich nur Pech gehabt“, sinniert er traurig.

Risikopatient

Und dann erzählt er von seinen vielen Krankenhausaufenthalten und Operationen. An die 30 Mal war er schon im Spital, davon 13 Mal wegen seinem Herzen. Seit 1999 lebt er nun schon mit einer biologischen Herzklappe. „Ich bin ein Risikopatient. Jeder Tag kann mein letzter sein. Mir wurde gesagt, die Herzklappe hält nur zehn Jahre, aber jetzt sind es schon 18.“ Vor zwei Jahren bekam er Probleme mit den Augen. Obwohl er sich wegen seiner verkrümmten Wirbelsäule seit vielen Jahren auf einen Stock stützt und den Verlust etlicher Kilo Körpergewicht beklagt, meinen seine Freunde: „Fritz, du wirst 100 Jahre alt!“ Über sich selbst sagt er: „Ich war nie ein Heiliger, aber ich habe mich immer an die Regeln gehalten, nie etwas gestohlen oder Schulden gemacht!“

Die positive Prognose der Freunde rührt wohl von seiner gesunden Lebensweise her. Er raucht nicht, trinkt nur ab und zu bei seinem Wirten ein Glas Prosecco und macht viel Bewegung. Nach wie vor ist er gerne unterwegs und verbringt seine Urlaube in der Steier-mark. Dort hat er Freunde, Ehepaare, die ihn auch im Spital besucht haben. „Ich wohne bei einem Bauern, der wunderbare Zimmer hat, bekomme Vollpension und die Bäuerin wäscht mir die Wäsche“, strahlt Friedrich Dvorak. In jungen Jahren hat er mit seinem ersten Fahrzeug, einem frisierten Puch 500er, an Bergrennen teilgenommen und viele Pokale gewonnen. Bis 2017 ist er noch Auto gefahren, aber wegen der nachlassenden Sehkraft hat er seinen Opel Korsa letztes Jahr verkauft. „Um andere nicht zu gefährden“, wie er sagt. „Es tut weh, wenn man nicht mehr selber fahren kann. Aber es ist besser so, ich habe mir eine Jahreskarte besorgt.“

Melancholie

Der unverwüstliche 95-Jährige hat erst im Jänner seine letzte Lebensgefährtin Mari zu Grabe tragen müssen. Die Einsamkeit macht ihm zu schaffen. Angehörige oder Kinder hat er keine. Aber die Melancholie verschwindet, wenn er unter freundlichen Menschen ist, mit denen er scherzen und lachen kann – so wie im seiner Beraterin von der Hilfsgemeinschaft.