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Blue Beanie Day: Neues Gesetz für digitale Barrierefreiheit

Barrierefreiheit

Blue Beanie Day: Am Aktionstag für barrierefreies Internet erklären wir, was das neue digitale Barrierefreiheitsgesetz für Menschen mit Behinderungen in Österreich bedeutet.

96,8 % der Homepages weltweit sind nicht barrierefrei zugänglich für Menschen mit Behinderung. Das sagt der diesjährige WebAIM-Bericht am „Institute for Disability Research, Policy and Practice“ in Utah, USA. Neben vielen anderen Barrieren sind Menschen mit Behinderung in Österreich immer wieder auch digitalen Barrieren ausgesetzt. Ob das die Webseite zur Anmeldung für den Impftermin ist, welche die Vorlese-Software blinder Menschen nicht ansteuern kann oder ob es der Selbstbedienungs-Ticketschalter am Bahnhof ist, der mit seiner Touch-Bedienung für blinde und sehbehinderte Menschen sowieso zur Herausforderung wird – digitale Barrieren schränken die Selbstständigkeit von Menschen mit Behinderung im Alltag ein.

Blue Beanie Day

Auf diese Barrieren machen Netzaktivist:innen und NGOs am heutigen Blue Beanie Day 2022, dem jährlichen Aktionstag für barrierefreies Internet, aufmerksam. Blue Beanie Day, also blaue Mützen, heißt der Tag deshalb, weil der Autor eines bekannten Buches über barrierefreie Webstandards auf dem Buchcover mit blauer Mütze abgebildet ist.

European Accessibility Day – Europäischer Rechtsakt zur Barrierefreiheit

Und bei diesen barrierefreien Webstandards kommt gerade so einiges ins Rollen. Der European Accessibility Act, eine EU-Richtlinie von 2019 soll jetzt digitale Barrierefreiheit in jedem EU-Mitgliedsstaat gesetzlich verankern. Bisher gab es nämlich unterschiedliche Spielregeln für digitale Barrierefreiheit: in manchen Ländern strengere und in manchen Ländern gar keine. Durch diese Richtlinie werden die unterschiedlichen Vorschriften jetzt vereinheitlicht und digitale Barrierefreiheit muss in jedem Land als Gesetz verankert werden.

Was bedeutet das jetzt für Menschen mit Behinderungen in der Praxis?

Menschen mit Behinderungen sollten ab spätestens Juni 2025 (zu dem Zeitpunkt tritt die Richtlinie EU-weit in Kraft) unzählige wichtige digitale Services, Endgeräte und Anwendungen barrierefrei nutzen können. Das wären konkret:

  • Digitale Produkte: zB Bankomaten, Ticketautomaten, Smartphones, eBook-Lesegeräte, Hardwaresysteme, Verbraucherendgeräte mit interaktivem Leistungsumfang und audiovisuelle Mediendienste
  • Digitale Dienstleistungen: zB Online-Shops, eBooks, Bankdienstleistungen, elektronische Kommunikationsdienste, Dienstleistungen über Websites oder Apps, Notrufsysteme
  • Personenverkehrsdienste: zB Websites, Ticket- und Selbstbedienungsterminals auf Flughäfen oder Bahnhof, elektronische Ticketdienste

Dadurch haben Menschen mit Behinderungen ein breiteres Angebot an barrierefreien Produkten und Dienstleistungen und treffen auf weniger Hindernisse im Öffentlichen Verkehr, in der Bildung und am Arbeitsplatz. Treten dennoch digitale Barrieren auf, dann muss der jeweilige Staat den Anbieter sanktionieren.

Wie steht es aktuell um das Gesetz zur digitalen Barrierefreiheit in Österreich?

Damit die neue EU-Richtlinie in Österreich gilt, muss sie zuerst in nationales Gesetz umgewandelt werden. Das hätte Österreich eigentlich schon bis Ende Juni 2022 machen sollen. Der Gesetzesentwurf wurde zuletzt erst begutachtet und soll demnächst ins Parlament wandern, wo das Gesetz dann beschlossen werden muss. Dann haben größere Unternehmen, Händler und Importeure bis Juni 2025 Zeit, ihre digitalen Produkte oder Services barrierefrei zu machen.

Gab es davor kein Gesetz in Österreich?

Doch gab es, allerdings kein so weitreichendes. Das Web-Zugänglichkeits-Gesetz (WZG) von 2018 hat lediglich den Bund, die Länder und Gemeinden (alle öffentlichen Einrichtungen) dazu verpflichtet, alle ihre Websites und mobilen Anwendungen sowie PDFs barrierefrei zugänglich zu machen.

Warum ist das neue Gesetz für digitale Barrierefreiheit (BaFG) so wichtig?

Durch dieses neue Gesetz sind größere private Unternehmen in der gesamten EU erstmals gesetzlich dazu verpflichtet, ihre digitalen Services barrierefrei zu gestalten. Machen sie das nicht, dann gibt es Geldstrafen, die bis in den 5-stelligen Bereich reichen können. Überwacht wird das ganze von einer Monitoringstelle im Sozialministeriumservice, die es ab 1. Jänner 2024 geben wird. Davor gab es keine Pflicht für private Anbieter und dementsprechend auch keine Strafen, wenn beispielsweise ein Bankomat für eine blinde Person nicht zugänglich war.

Dazu kommt: Die Beweislast liegt jetzt beim Unternehmen, d.h. wenn es zu einem Verfahren aufgrund mangelnder Barrierefreiheit eines digitalen Produktes kommt, ist es nicht mehr so, dass Menschen mit Behinderung Beweise für die Barrieren erbringen müssen, sondern die Unternehmen müssen beweisen, dass sie barrierefrei sind.

„Der European Accessibility Act ist eine längst überfällige Umstellung in Europa. Die USA haben schon seit 30 Jahren ein einheitliches Gesetz für digitale Barrierefreiheit. Barrierefreier Zugang zu digitaler Information ist eine wesentliche Voraussetzung für gleichberechtigte Teilhabe in unserer heutigen Gesellschaft. Wer sich trotzdem nicht daran hält, kann durch die gesetzliche Verankerung jetzt auch sanktioniert werden. Für unsere Community ist das eine wichtige Entwicklung.“

Klaus Höckner, stellvertrendender Vorstandsvorsitzende der Hilfsgemeinschaft, setzt sich schon seit Jahren auf nationaler und internationaler Ebene für mehr digitale Barrierefreiheit ein. Die EU-Richtlinie hat er als Experte für Barrierefreiheit begleitet