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Blinde Frauen der Geschichte

Persönlichkeiten

Frauen mit Behinderungen sind oft nicht sichtbar. Weil bald 8. März ist möchten wir einige wichtige blinde und sehbehinderte Frauen vor den Vorhang holen.

Helen Keller (1880 – 1968)

Beginnen wir mit der wohl bekanntesten: Helen Keller war eine US-amerikanische Schriftstellerin. Im Zuge einer frühkindlichen Erkrankung wurde sie taubblind. Ihre Lehrerin Anne Sullivan lernte Keller die Bezeichnung von Objekten, indem sie ihr einen Gegenstand zum Ertasten gab und den Begriff mittels Fingeralphabet in die andere Handfläche buchstabierte. Außerdem hat sie Brailleschrift verwendet und später auch Lippenlesen gelernt, indem sie ihre Finger auf die Lippen und den Hals der sprechenden Person legte, während die Wörter für sie gleichzeitig buchstabiert wurden. Bevor sie diese verschiedenen Möglichkeiten der Kommunikation erlernte, hatte sie regelmäßig Wutanfälle in ihrer Kindheit, weil sie sich nicht verständigen konnte. Sie veröffentlichte mehrere Bücher und Essays zu ihrem Leben sowie zu anderen politischen Themen wie dem Aufkommen des Faschismus in Europa, Empfängnisverhütung oder Atomenergie. Keller schloss als erste taubblinde Person einen Bachelor cum laude ab, und begann 1913, Vorträge zu halten, die sie mehrmals um die Welt führten. Keller war Pazifistin und Mitglied der Sozialistischen Partei. Sie engagierte sich in verschiedenen Organisationen für die Rechte der Arbeiterklasse, für die Rechte von Frauen in der Frauenbewegung, als auch für jene blinder Menschen. Sie beriet die American Foundation for the Blind in nationalen und internationalen Beziehungen. Die Geschichte ihrer Ausbildung mit Sullivan wurde in dem preisgekrönten Stück The Miracle Worker von William Gibson dargestellt und später von Arthur Penn auch verfilmt.

Audre Lorde (1934 - 1992)

„I am not free while any woman is unfree, even when her shackles are very different from my own“. Dieses Zitat von Audre Lorde wird oft im Kampf für Geschlechtergerechtigkeit erwähnt. Dass die Schwarze Schriftstellerin, die im New Yorker Stadtteil Harlem aufgewachsen ist, aber auch eine Sehbehinderung hatte, ist weniger bekannt. Lorde konnte bereits früh lesen und schreiben. Sie besuchte eine Schule für hochbegabte Kinder und studierte später Bibliothekswissenschaften. Lorde hatte viele Jobs wie Sozialarbeiterin, Ghostwriterin, Lehrerin für Kunsthandwerk, Röntgentechnikerin und Bibliothekarin. Nebenher schrieb sie immer und veröffentlichte ihre ersten Gedichte schon als sie noch Studentin war. Lorde hat auch die afro-deutsche Bewegung in Deutschland mitgestaltet, später war sie in der US-Bürgerrechtsbewegung der 60er Jahre und in der Antikriegs- sowie Frauenbewegung aktiv. Als offen queere Frau hat sie sich auch in der queeren Szene in NY engagiert. Im Zuge ihrer Krebserkrankung und einseitigen Masektomie hat sie sich auch literarisch intensiv mit dem Thema Erkrankung auseinandergesetzt. Lordes Werke sind wichtiger Bestandteil der feministischen Theorie, der Black Studies sowie Queer Theory. Als Schwarze, behinderte und queere Frau war sie sowohl mit Rassismus als auch mit Ableismus, also Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung, konfrontiert und hat den Blick für die Verschneidungen unterschiedlicher Diskriminierungsformen geschärft.

Harriet Tubman (ca. 1820-1913)

Tubman wurde als Sklavin geboren und entkam in den Norden, wo sie als "Schaffnerin" der Underground Railroad vielen anderen zur Freiheit verhalf. Während des Bürgerkriegs diente Tubman als Kundschafterin, Spionin, Guerillakämpferin und Krankenschwester für die Unionsarmee und war die erste afroamerikanische Frau, die im Militär diente. Sie war auch an anderen Aktionen gegen die Sklaverei beteiligt und half vielen befreiten Sklaven, Arbeit und Unterkunft im Norden zu finden. Nach dem Krieg setzte sie sich für die Unterstützung der Freigelassenen und das Frauenwahlrecht ein, kümmerte sich um ihre Familie und ältere Menschen und gründete ein Altersheim. Sie starb 1913 und wurde mit militärischen Ehren beigesetzt. Tubman ist eine der wichtigsten Ikonen (Afro-) Amerikanischer Geschichte. Nachdem ihr im Alter von zwölf Jahren ein Sklavenbesitzer auf den Kopf geschlagen hatte, trug sie schwere Verletzungen davon u.a. eine Sehbehinderung.

Caroline Herschel (1750 – 1848)

Caroline Herschel war eine deutsche Astronomin, die im 18. Jahrhundert lebte. Obwohl sie in ihrer Zeit sehr berühmt war und als erste Frau den Beruf der Astronomin ausübte, ist sie heute kaum bekannt. Caroline wurde in Hannover geboren und lernte Lesen und Schreiben, was für Mädchen zu dieser Zeit untypisch war. Ihr älterer Bruder Friedrich Wilhelm nahm sie als Haushaltshilfe mit nach England, wo sie auch eine Ausbildung als Sängerin machte. Nachdem sie mit ihrem Bruder den Planeten Uranus entdeckt hatte, half sie ihm als Assistentin bei der Astronomie-Forschung und machte auch eigene Himmelsbeobachtungen. Dafür wurde sie auch mit einem Gehalt für wissenschaftliche Tätigkeiten bezahlt. Caroline entdeckte mehrere Kometen und wurde von verschiedenen wissenschaftlichen Organisationen ausgezeichnet.

Maria Theresia Paradis (1759 – 1824)

Man sagt ja immer, dass Louis Braille die Brailleschrift erfunden hat. Hat er ja im Grunde auch, aber was wenn wir euch sagen würden, dass der blinde Franzose sich woanders inspirieren hat lassen, genauer gesagt bei Maria Theresia Paradis. Die blinde Pianistin und Komponistin wuchs in Wien auf und trug ihre selbst komponierten Stücke bald auf verschiedenen Bühnen Europas vor. Sie hatte Briefkontakt mit den renommiertesten Komponisten ihrer Zeit, etwa mit Mozart oder Haydn. Weil sie durch ihre Sehbehinderung beim Noten- und Briefeschreiben immer die Tinte auf dem Papier verschmierte, hat ihr späterer Lebensgefährte ihr einen Setzkasten gebaut, der wie eine kleine Druckerei funktioniert. Dafür musste sie nur die einzelnen beweglichen und taktilen Buchstaben richtig einsetzen und konnte so drucken. Der spätere Lehrer von Louis Braille war begeistert von der Technik und baute diese später nach. Louis Braille entwickelte sie weiter. Ohne dieses Setzkastens von Maria Theresia Paradies gäbe es also vermutlich die heutige Brailleschrift gar nicht. Lange Zeit war auch ihre musikalische Geschichte vergessen, bis die berühmte Cellistin Jacqueline du Pré eines ihrer Werke, die „Sicilienne“, in den 1960er Jahren auf Schallplatte herausbrachte.

Betty Hirsch (1873-1957)

Betty Hirsch war eine deutsche Sängerin und Sprachlehrerin für Blinde. Schon während ihrer Zeit an einer Förderschule für Blinde hat sie Privatunterricht in Gesang und Deutsch gegeben und später eine Sprachlehrerinnenprüfung absolviert. Im Laufe des Ersten Weltkrieges eröffnete sie gemeinsam mit einem Augenarzt (Dr. Silex) eine Schule für Kriegsblinde, in der sie lange Zeit ehrenamtlich unterrichtete und ihnen Brailleschrift sowie andere Handfertigkeiten beibrachte. Sie setzte sich aktiv dafür ein, dass die Schülerinnen und Schüler in Berufen wieder Fuß fassen konnten, indem sie staatliche Betriebe und später auch Privatfirmen aufsuchte, um sich für deren Einstellung einzusetzen. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde die Schule auch für blinde Frauen geöffnet. Betty Hirsch teilte ihr Wissen um berufliche Beratung und Stellensuche auch bei Auslandsreisen und gab viele Impulse für die berufliche Teilhabe blinder Menschen. Sie betonte dabei stets die Wichtigkeit der Selbständigkeit blinder Menschen und lehnte Mitleid ab. Betty Hirsch verstarb am 8. März 1957. Dass blinde und sehbehinderte Menschen kein Mitleid brauchen und nicht hilflos sind zeigt auch ein Quote von ihr: „Als man aber anfing, mir mit jeder geringen alltäglichen Arbeit wie anziehen und sonstigen Handgriffe helfen zu wollen, erwachte ein Wille von Selbständigkeit in mir, der mir half, mein weiteres Schicksal mit Würde zu tragen.“

Haben Girma (1988 - heute)

Haben Girma ist eine Schwarze US-amerikanische Behindertenrechtsaktivistin. Die Tochter von eritreischen und äthiopischen Einwanderer:innen ist schon seit früher Kindheit taubblind. Als erste taubblinde Studentin hat sie ihr Jus-Studium an der Harvard abgeschlossen und setzt sich jetzt international als Anwältin für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein u.a. für barrierefreien Zugang zu Büchern und digitaler Information. Lest mal ihr Buch "Haben: The Deafblind Woman Who Conquered Harvard Law" oder folgt ihr auf Twitter.