Blinde Astronomin entschlüsselt Geheimnisse des Weltalls
Persönlichkeiten
Wanda Diaz-Merced arbeitete beharrlich an ihrem Kindheitstraum, als Astronomin das Weltall zu erforschen. Auch ihre Behinderung – sie ist blind – hinderte sie nicht daran, diesen Traum wahr werden zu lassen. Jungen Menschen mit Behinderung rät sie, sie sollten beharrlich daran arbeiten, ihre Ziele umzusetzen.
Wanda Diaz-Merced ist eine beeindruckende Frau, die zeigte, wie dies möglich ist. Sie befasst sich heute mit Sonneneruptionen, Doppel-Stern-Systemen, Gamma-Strahlen-Ausbrüchen und Supernova-Explosionen.
Während sie am Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik arbeitete, wandelte sie mit dem Computerprogramm „xSonify“ aufgefangene Röntgenstrahlen in Tonreihen um und wertete diese aus. Dieses Verfahren heißt „Sonification“. Im Rahmen der Forschungsarbeit entdeckte Wanda Diaz-Merced etwa einen Zusammenhang zwischen Stern-Entstehung und Supernova-Explosionen. In visuellen Datenreihen war dies nicht erkennbar. Durch die genaue Analyse der Tonreihen – eben Sonification – konnte die blinde Astronomin dies aber herausfiltern.
Entdeckung
Das Gehör sei für sie ein weiterer Sinn, mit dem man die astronomischen Daten analysieren und in ihnen Strukturen und Phänomene finden könne, die dem Auge verborgen bleiben würden. Beim Doppelsternsystem EX Hydrae fand sie etwa Hinweise auf Phänomene, die das bestehende Modell über die Interaktion der beiden Sterne nicht vorhersagten.
Das Weltall faszinierte Wanda Diaz-Merced bereits als Kind. Sie wuchs mit ihrer Schwester in Gurabo auf Puerto Rico auf. Beide träumten davon, mit dem Space Shuttle in den Weltraum zu fliegen. Das Sehvermögen von Wanda Diaz-Merced verschlechterte sich aufgrund einer juvenilen Diabetes (heute: Typ-1-Diabetes). Durch weitere Komplikationen verlor sie mit 28 Jahren endgültig ihr Sehvermögen.
Dennoch ließ sie sich nie von ihrem Ziel, Naturwissenschafterin zu werden, abhalten. Auftrieb gab ihr ein zweiter Platz bei einem Wissenschaftswettbewerb an ihrer Mittelschule. Obwohl ihr Sehvermögen während des Studiums an der Universität von Puerto Rico massiv abnahm, sah sie in der Physik und Astronomie ihre wahre Leidenschaft. Von der Universität wurde sie allerdings exmatrikuliert, da sie wegen ihrer Blindheit kein visuelles Teleskop nutzen konnte.
Ihre Studien führten sie 2005 schließlich an das Goddard Space Flight Center der NASA in Maryland. Dort traf sie den Astronomen Robert Candey, der ihr Mentor wurde. Mit ihm entwickelte sie ein Datenanalyseverfahren, das es blinden Menschen ermöglicht, die Physik des Weltalls zu erleben.
Daraus wurde die Methode der Sonification. In der Folge arbeitete sie 15 Jahre als Astronomin bei der Internationalen Astronomischen Union (IAU) in der Öffentlichkeitsarbeit in Mitaka in Japan. Durch diese Erfolge wurde sie an der Universität Glasgow als Doktoratsstudentin akzeptiert. 2013/14 legte sie ihre Doktor arbeit mit dem Titel „Sound for the exploration of space physics data“ vor. Als Post-Doktorandin arbeitete Wanda Diaz-Merced am African Astronomical Observatory in Cape Town in Südafrika.
Forschung für alle
2020 ging sie schließlich an die Universität von Boulder in Colo rado (USA). Dort forscht sie heute im PhET-Team (Physics Education Technology), dessen Zielsetzung es ist, durch Simulationen naturwissenschaftliche Forschungsergebnisse allen Menschen, egal mit welcher Behinderung, zugänglich zu machen.
Die PhET-Projekte sind für die Ausbildung in naturwissenschaftlichen Feldern gedacht. Wanda Diaz-Merced sieht diese als Türöffner für behinderte Forscher in den professionellen Forschungsbetrieb. Für sie war ihre Behinderung immer wieder ein Hemmschuh, als Forscherin im Feld der Astronomie Anerkennung zu finden. Sie hofft, mit der Arbeit an PhET-Projekten dies in Zukunft für behinderte Naturwissenschaftler zu erleichtern.
Zum Autor
Manfred Fischer ist rollstuhlfahrender Journalist und Sensibilisierungstrainer sowie begeisterter Hobbyastronom. Er lebt in Ostermiething in Oberösterreich.