Barrierefreiheit in sozialen Medien
Barrierefreiheit
Die Initative #barrierefreiPosten setzt sich seit Kurzem für mehr Barrierefreiheit in sozialen Medien ein. Wir haben einen der Initiatoren, Heiko Kunert zum Interview gebeten.
Computer, Internet, Websites und Social Media beschäftigen uns mehr denn je. Täglich verbringt jeder Mensch im Durchschnitt mehr als 2 Stunden in den sozialen Medien. Barrierefreiheit und Zugänglichkeit für alle sind daher ein immer zentraler werdendes Thema. Seit Kurzem gibt es die Initiative #barrierefreiPosten. Wir haben einen der Initiatoren, Heiko Kunert, zum Interview gebeten.
Wie kam es zur Initiative #barrierefreiPosten?
Heiko Kunert: Alle, die bisher bei #BarrierefreiPosten mitmachen, engagieren sich teils schon seit etlichen Jahren im Themenfeld Barrierefreiheit. Ich zum Beispiel bin seit rund zwölf Jahren in sozialen Medien aktiv. Als blinder Mensch habe ich hierbei immer schon auf fehlende Zugänglichkeit hingewiesen und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. Bisher fehlte aber eine Ressource, die umfassend die verschiedenen Aspekte von Barrierefreiheit in Social Media gebündelt hat – von Bildbeschreibungen, über Untertitel, bis Leichte Sprache. Als Laura Schwengber mir im Herbst 2019 ihre Idee präsentierte, genau eine solche Online-Ressource aufzubauen, war ich gleich begeistert.
Wer steht hinter dem Projekt #barrierefreiPosten?
Heiko Kunert: Wir sind Menschen mit und ohne Behinderungen, die sich beruflich und privat mit Barrierefreiheit beschäftigen. Das Kernteam besteht aus der Gründerin Laura M. Schwengber, aus Prof. Dr. Christiane Maaß und Dr. Isabel Rink von der Forschungsstelle Leichte Sprache und dem Master Barrierefreie Kommunikation in Hildesheim und aus mir. Daneben haben viele tolle Expertinnen und Experten ihr Knowhow für #BarrierefreiPosten zusammengetragen. Darunter sind die Expertin fürs Down Syndrom Natalie Dedreux, die gehörlöse Studierende Clara Belz, der Inklusionsbotschafter Aleksander Knauerhase und die Live-Kommentatorin bei Audio2 Linda Stark.
Welche Ziele verfolgt ihr mit der Initiative?
"Wir wollen zeigen, dass alle Menschen, die in Social Media posten, ihren Teil dazu beitragen können, dass Menschen mit Behinderung teilhaben können." - Heiko Kunert
Heiko Kunert: Je mehr Menschen an Barrierefreiheit denken, je mehr Menschen die Tools für barrierefreies Posten kennen, desto kommunikativer, vielfältiger werden die sozialen Medien. Es geht also um Aufklärung, denn vielen Nichtbetroffenen sind zum Beispiel die Bildbeschreibungsfunktion auf Twitter oder Werkzeuge zum Untertiteln von Videos nicht bekannt. Gleichzeitig möchten wir aber selbst lernen und via #BarrierefreiPosten mit anderen ExpertInnen und mit Social-Media-NutzerInnen ins Gespräch kommen. Auf unserer Website und auf unseren Social-Media-Kanälen möchten wir möglichst umfassend Wissen rund um Barrierefreiheit im Social Web zur Verfügung stellen und über den besten Weg zum barrierefreien Post diskutieren. Und schließlich möchten wir Multiplikatoren erreichen – z.B. Social-Media-Redakteure -, die von uns lernen wollen, dann das Wissen in ihrer alltäglichen Arbeit umsetzen und so wiederum auf das Thema aufmerksam machen.
Welche Argumente könnt ihr Menschen geben, warum sie barrierefrei posten sollen?
Heiko Kunert: Wer in sozialen Medien schreibt und Fotos und Videos veröffentlicht, will häufig möglichst viele Menschen erreichen. Barrierefreiheit sorgt dafür, mehr Menschen erreichen zu können. Wenn man bedenkt, dass knapp 10% der hiesigen Bevölkerung schwerbehindert sind, dann zeigt das auch, dass Barrierefreiheit kein Nischen-Thema ist. Zudem profitieren von Barrierefreiheit viele andere Menschen: So sind Texte in einfacher Sprache auch für Menschen leichter zugänglich, die Deutsch erlernen. Untertitelte Videos sind eine Erleichterung für Leute, die gerade keinen Lautsprecher oder Kopfhörer nutzen können, usw. Und der vielleicht wichtigste Punkt: Barrierefreiheit macht Spaß und ermöglicht viele spannende Begegnungen zwischen ganz unterschiedlichen Menschen im Web.
Ist barrierefreies Posten aufwendig?
Heiko Kunert: Das kommt drauf an. Sagen wir einmal so: Wenn du den perfekten, 100% barrierefreien Post veröffentlichen willst – mit Audiodeskription und Untertitelung des Videos, in Leichter Sprache, mit Gebärdensprache, so gegendert, dass sich niemand ausgeschlossen fühlt, aber auch so, dass jeder Screenreader-Nutzer den Text gut lesen kann, dann ist das für eine Privat-Person, die Facebook und Instagram lediglich nutzt, um mit Freunden und Familie im Austausch zu bleiben, sicherlich eine sehr große Herausforderung. Das heißt aber nicht, dass nicht auch diese Person zumindest einige Schritte tun kann, um barrierefreier zu posten. Zum Beispiel ist es wirklich kein großer Aufwand, ein Foto in zwei, drei Sätzen kurz für blinde Menschen wie mich zu beschreiben. Mehr Barrierefreiheit kann ich aber natürlich von Social-Media-Accounts öffentlicher Stellen oder von Unternehmen erwarten.
Was bedeutet für euch Barrierefreiheit im Allgemeinen und im Online-Bereich?
Heiko Kunert: Barrierefreiheit ist eine zentrale Voraussetzung für Inklusion. Barrierefreiheit ermöglicht, dass alle überall dabei sein können. Zentral ist das Zwei-Sinne-Prinzip. Jede Information muss mindestens mit zwei Sinnen wahrgenommen werden können, zum Beispiel über das Sehen und das Gehör. Im Web heißt dies zum Beispiel, dass visuelle Infos aus Grafiken, Fotos und Videos zusätzlich in Sprache übersetzt werden, gesprochener Text wiederum muss verschriftlicht werden usw.
3 einfache Tipps für unsere Leser, wie sie ihre Postings barrierefreier gestalten können
- Nutzt die Werkzeuge von Twitter, Facebook und Instagram zur Eingabe eines Alternativ-Textes für Fotos und für das Untertiteln von Videos – wir erklären auf barrierefreiposten.de wie das geht.
- Wenn ihr Hashtags benutzt, schreibt in ihnen jedes neue Wort groß. Dann liest die Sprachausgabe den Hashtag richtig vor und nicht wie ein einziges langes Wort.
- Nutzt einfache Sprache bei euren Posts, lieber zwei kurze Sätze als einen langen verschachtelten und verzichtet auf unnötige Fremdwörter. So können euch mehr Menschen verstehen.