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Grenzgänger

Persönlichkeiten

Wir berichten über den Architekten, Maler und Schriftsteller Hans Krebits, der seit einigen Jahren mit einer Augenerkrankung lebt.

Er gilt als Erfinder der Wellnessarchitektur sowie der Oper am Originalschauplatz und hat mit seinem Mentor Clemens Holzmeister vor 60 Jahren das Große Festspielhaus in Salzburg gebaut. Seine Auslandsprojekte waren mit einschneidenden Ereignissen des Zeitgeschehens verknüpft. 2015 ist das letzte seiner Bücher unter dem Titel „Architektur und Verhaltensforschung. Als die Architektur zu schweben begann“ erschienen.

Beim letzten Teil des Werkes mussten seine Söhne und der Enkel mithelfen. Denn Hans Krebitz erkrankte vor sieben Jahren an feuchter AMD (Altersbedingter Makuladegeneration). Sein Zustand verschlechterte sich damals rasch, und bislang erhielt er 28 Injektionen in den Glaskörper. Für den 85-jährigen Künstler eine schwierige Situation: „Ich habe nach wie vor viele Ideen, die ich gerne in Bilder umsetzen möchte. Aber wegen der Beeinträchtigung meiner Sehkraft gelingt mir das nicht mehr.“ Durch seine AMD-Erkrankung verschwimmengerade Kanten zu Wellenlinien. „Aufgrund meiner Erfahrungen und meiner Erinnerungen erkenne ich wesentlich mehr, als ich sehe, und kann diese Wellenlinien in gerade Striche umsetzen, wenn ich etwas zeichne. Zumindest versuche ich es.“

Renner-Porträt

Schon sehr früh zeigte sich das künstlerische Talent von Hans Krebitz: „Ich erinnere mich, dass 1947 Bundespräsident Dr. Karl Renner unsere Schule in St. Veit besuchte. Ich wurde gebeten, Renner zu porträtieren, und anscheinend gelang mir das so gut, dass ich mit Lob überhäuft wurde. Ich war damals elfeinhalb Jahre alt.“ Porträts wurden ein zentrales Element seines künstlerischen Schaffens. Sie entstanden aber nicht nach Fotos, sondern durch Beobachtungen der porträtierten Personen, die oft gar nicht bemerkten, dass sie gezeichnet wurden. „Das Gesicht durfte nie starr wirken, die Bewegung war mir immer wichtig. Oft habe ich auch aus der Erinnerung gezeichnet. Ein Gesicht ist dann interessant, wenn es leichte Unregelmäßigkeiten zwischen beiden Gesichtshälften gibt.“

Seine charakteristischen Darstellungen zeigen neben Selbstporträts auch ihm persönlich bekannte Zeitgenossen, wie Herbert von Karajan, Marcel Prawy oder Bruno Kreisky, historische Persönlichkeiten und Politiker sowie fiktive Begegnungen, z. B. zwischen Johann Strauß, Einstein, Hitler oder Mao. Daneben ist eine große Anzahl von „Fingerübungen“, wie er sie nennt, entstanden: Architektur und Reisezeichnungen, Gouachen und Aquarelle aller Art.

Individualität

Als Künstler arbeitet Krebitz immer mit unterschiedlichen Techniken und Materialien. Er entwickelte seine individuelle Ausdrucksweise und erfand für seine Porträts die Schablonen-Spray-Technik, wie sie z. B. auch für Graffitis angewendet wird. „Schablonen schneiden ist jetzt schwierig geworden, das geht heute nicht mehr. Aber ich verwende alte Schablonen in verschiedenen Größen.“ Thematische Vorbilder für seine Arbeiten waren auch die mittelalterlichen Totentanzdarstellungen mit ihren Skeletten. Von Mai bis Oktober 2019 fand in Metnitz in Kärnten – einem Zentrum des weltweiten Totentanzes – ein Symposium statt, bei dem Krebitz einen Vortrag hielt und Werke ausstellte. Er zeigt in seinen Bildern aber keine anonymen Personen, sondern bekannte Tote. In seinem Werk „Salzburger Jedermann“ aus 2007 sitzen die Mutter des Künstlers, Napoleon, Bin Laden, Stalin, Marilyn Monroe, Karajan, Mozart und Beethoven an der Tafel. In völliger Umkehrung zeigt das Bild Hitler als Tod, der dem Jedermann-Skelett die linke Hand auf das Herz legt, die rechte zum Hitlergruß ausgestreckt.

Erinnerungen

Salzburg nimmt in der Erinnerung des Architekten Hans Krebitz einen wichtigen Platz ein. Als 23-Jährigen holte ihn Clemens Holzmeister nach Salzburg, um das Große Festspielhaus zu planen und zu bauen. Herbert von Karajan wollte hier die neuesten Erkenntnisse zu Akustik, Bühnenbau und -technik umsetzen, die damals weltweit verfügbar waren. Holzmeister beorderte den jungen Architekten zu einer Besprechung mit den besten Akustikern aus Wien und Berlin. Karajan fragte ihn nach einiger Zeit: „Sie schauen aber nicht sehr glücklich drein. Was würden Sie machen?“ Krebitz antwortete: „Ich würde die Akustikplatten aus Holz machen. Die Instrumente sind auch aus Holz. Das bringt die beste Raumakustik.“ So wurde es dann auch umgesetzt.

Am 26. Juni 1960 wurden die Salzburger Festspiele eröffnet und die Sänger waren vom Großen Festspielhaus begeistert. Die Eröffnung fand aber ohne den jungen Architekten statt: „Ich feierte nämlich in Kärnten meine Hochzeit.“ Es gibt heuer gleich zwei Jubiläen: 60 Jahre neues Festspielhaus in Salzburg und 60. Hochzeitstag. „Ich bin ein Ehesaurier“, feixt Krebitz mit spitzbübischem Lächeln.

Als selbstständiger Architekt baute Krebitz 1973 das Kurzentrum Bad Deutsch-Altenburg und begründete damit die Wellness-Architektur. Die AHS Groß Enzersdorf in Niederösterreich legte er wie eine Wohnung an und verzichtete auf Gänge mit Klassenzimmern. Darüber hinaus hat er vor rund 50 Jahren an die 1000 Wohnungen gebaut, die Lehrstoff an deutschsprachigen Unis wurden.

In den 1970er- und 1980er-Jahren wurden spannende Projekte des Architekten Opfer einschneidender politischer Veränderungen. Krebitz stand in Kontakt mit dem persischen Botschafter in Österreich, dessen Bruder Gesundheitsminister unter dem Schah von Persien war. Krebitz reiste nach Persien, um mehrere Schwerpunkt-Krankenhäuser zu planen. Nach der islamischen Revolution von 1979 gelangte Ajatollah Chomeini an die Macht und Krebitz konnte seine Pläne nicht mehr realisieren. Auch ein anderes vielversprechendes Projekt scheiterte: Für Präsident Sadat sollte Krebitz im Zentrum von Kairo die neue Oper bauen. Noch bevor Sadat die Pläne im Parlament präsentieren konnte, wurde er am 6. Oktober 1981 ermordet. Die Oper wurde nie gebaut. Krebitz nimmt die Misserfolge gelassen: „Auch ein Löwe hat mehrere Fehlversuche, bis er eine Gazelle schlägt. Man kann nicht immer gewinnen. Ich habe etwas mehr Pech gehabt, aber es waren schöne, interessante Zeiten.“

Besonders interessant war für ihn die Oper, die er 1987 in Luxor gemacht hat. Verdis „Aida“ mit Placido Domingo wurde direkt im Ausgrabungsgelände realisiert – die erste Oper am Originalschauplatz: „Ich habe die alten Tempelbauten als Kulissen genutzt. Ein wunderschöner, bombierter L-förmiger Holzboden für die Akteure wurde errichtet, und dazu musste eine Zuschauertribüne nach meinen Plänen gebaut werden. Die Concorde flog erlauchte Gäste aus Paris und London nach Luxor und die ganze Welt sprach von dem Ereignis.“

Schicksalsjahr

1990 gab es ein weiteres Opernprojekt: In Marrakesch wurde „Die Entführung aus dem Serail“ von Mozart vor einem teilweise erhaltenen Palast gegeben. Im selben Jahr erlitt Hans Krebitz einen Schlaganfall, der ihn einige Jahre später zwang, seine Karriere als Architekt zu beenden. Von da an nutzte er die Zeit zur Vertiefung seines künstlerischen Wirkens: Den 2017 erschienenen Bildband mit einer Werkschau aus 20 Jahren nannte der Grenzgänger bezeichnenderweise „geSICHT WEISE“.