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Blind im Ausland studieren

Bildung

Die 24-jährige Tina Paulick machte nach einem Erasmus-Jahr nun auch einen 2-jährigen Master an der irischen Westküste. Ein Interview über Irland, studieren mit Blindheit und barrierefreies Reisen.

Die 24-jährige Tina Paulick machte nach einem Erasmus-Jahr nun auch einen 2-jährigen Master an der irischen Westküste. Die nahezu blinde sympatische Studentin schreibt über ihre Erfahrungen unter www.studieren-weltweit.de. Tina hat schon länger Erfahrung als Bloggerin – seit 2014 schreibt sie auf ihrem Blog über das Thema Barrierefreiheit, Inklusion und Reisen.

Wir haben der sympatischen Studentin ein paar Fragen über zum Thema „Studieren im Ausland“ gestellt.

Du studierst momentan in Galway (Irland). Wie ist die Barrierefreiheit im öffentlichen Raum in Irland im Vergleich zu Deutschland?

Tina Paulick: Was den Alltag hier unglaublich erleichtert ist die Hilfsbereitschaft der Menschen. Wenn ich nach dem Weg frage und der gesuchte Ort in der Nähe ist, bringen mich die Leute oft sogar direkt hin. In Geschäften helfen mir die Angestellten immer beim Einkaufen und mein Vermieter und Mitbewohner fährt mich sogar mit dem Auto, wenn ich ihn darum bitte. Trotzdem versuche ich so selbstständig wie möglich zu sein.

Was öffentliche Verkehrsmittel und Barrierefreiheit im Allgemeinen angeht, ist Deutschland Irland meiner Meinung nach um einiges voraus. Die Busse in Irland fahren seltener und eher unpünktlich, von einer Linie in die andere umzusteigen klappt fast nie. Besonders frustrierend ist, dass die Busse nur anhalten, wenn jemand die Haltewunschtaste drückt. Weiters, dass es keine Ansagen gibt und die Stopps nicht einmal richtige Namen haben. Anfangs bin ich oft zu weit gefahren. Inzwischen benutze ich Google Maps um die Route zu verfolgen. In Dublin gibt es Ansagen und Straßenbahnen, aber mit deutschen Großstädten kann das auch nicht mithalten.

Das Gesundheitssystem ist stärker privatisiert und alle blinden Iren die ich kenne, mussten für Sprachsoftware und Briallezeilen für den Privatgebrauch selbst dazubezahlen. Seitdem ich in Irland lebe, weiß ich erst richtig zu schätzen, wie verhältnismäßig gut es Menschen mit Behinderungen in Deutschland geht, obwohl die Lebensbedingungen in Irland auch nicht schlecht sind.

Welche besonderen Herausforderungen gibt es für dich als blinde Studentin?

Tina Paulick: Die Herausforderungen im Studienalltag sind ähnlich wie in Deutschland. Da meine Vorlesungen relativ klein sind und die Dozenten mich kennen, habe ich nie Probleme PowerPoint-Präsentationen zu bekommen. Schwierig sind nur kopierte Handouts, da diese kaum leserlich sind, wenn sie erneut eingescannt werden. Die Bibliothek hat Arbeitsplätze mit Lesegeräten, großen Bildschirmen und Computern mit Sprachausgabe. Braille-Drucker gibt es leider nur in Dublin.

Mein größtes Problem ist der Mangel an barrierefreien E-Büchern. Im Bibliothekskatalog gibt es viele Onlinepublikationen, aber die meisten sind durch den Kopierschutz nicht barrierefrei oder können nur in einem Format auf der Webseite gelesen werden. Nach einigem Hin und Her, habe ich inzwischen eine studentische Hilfskraft, die drei Stunden in der Woche für mich scannt. Im Gegensatz zu meiner alten Unibibliothek in Leipzig, ist es hier möglich, die Buchbindung professionell auflösen zu lassen, um ein Paperback Buch besser zu digitalisieren. Anschließend wird es einfach wieder zusammengebunden.

Vieles ist in Irland weniger bürokratisch. Man braucht allerdings viel Geduld und muss immer höflich bleiben - Leute die ständig Stress verbreiten, kommen hier nicht weit.

Man sagt, dass die Iren sehr gastfreundlich und immer hilfsbereit sind. Wie erlebst du das?

Tina Paulick: Das stimmt definitiv und deshalb bin ich auch noch hier, obwohl viele Dinge nicht besonders barrierefrei sind. Alle größeren Geschäfte liegen zum Beispiel an Hauptstraßen mit riesigen Parkplätzen, zu denen es sich schlecht laufen lässt, aber wenn ich rechtzeitig frage, finde ich immer jemanden der mir hilft.

Galway ist eine hübsche kleine Stadt direkt an der Atlantikküste, mit engen Gassen voller interessanter Lädchen und Restaurants. Besonders im Sommer gibt es jede Menge Straßenmusiker und Festivals und wenn es regnet kann man in einen der traditionellen Pubs gehen. Rings herum liegen Berge und grüne Felder, und ich habe den Strand direkt vor der Haustür. Innerhalb von drei Jahren habe ich hier mehr Freunde gefunden, als ich in Deutschland je hatte.