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Akzeptanz der eigenen Behinderung

Beratung & Soziales

Das Thema, das früher oder später in jeder Beratung oder Psychotherapie mit behinderten Menschen auftaucht, ist die Frage nach der Akzeptanz der eigenen Behinderung.

Das Thema, das früher oder später in jeder Beratung oder Psychotherapie mit behinderten Menschen auftaucht, ist die Frage nach der Akzeptanz der eigenen Behinderung. Warum ist das eigentlich so? Was macht die Akzeptanz der eigenen Behinderung zu so einem brisanten Thema für Menschen, die eine Behinderung haben?

Die erste Frage nach dem „Warum“ ist eigentlich rasch beantwortet. Wir leben in einem Land, in dem behinderte Menschen sehr schnell merken, dass unsere Gesellschaft nicht barrierefrei ist: fehlende bauliche Voraussetzungen, mangelnde Barrierefreiheit im Internet, keine leichte Sprache. Das Bild von behinderten Menschen als Opfer, Helden oder Hilfeempfänger in den Köpfen unserer Mitmenschen sind nur wenige Beispiele. All das spiegelt die mannigfaltigen Barrieren wider, auf die behinderte Menschen in ihrem Lebensalltag treffen.

Und damit sind wir bei der zweiten Frage angelangt: Weil Menschen in ihrem Alltag ständig damit konfrontiert sind, dass sie lediglich als „Behinderte“ gesehen werden, und weil sie das täglich spüren, dass unsere Gesellschaft sie behindert, sind sie auch nicht bereit, ihre eigene Behinderung so ohne Weiteres zu akzeptieren.

Es gab eine Zeit, als man sich vielleicht genierte, wenn man eine Brille trug. Eine Brille ist heute dagegen häufig nicht nur eine selbstverständliche Korrektur der Sehfähigkeit, sondern sogar ein Modeaccessoire, das von Menschen ohne Sehschwäche ebenso getragen wird.

Wenn es einmal so weit ist, dass Hörgeräte, Brillen von hochgradig sehbehinderten Menschen oder Rollstühle auch so selbstverständlich von unserer Gesellschaft gesehen werden wie die Sonnenbrille, dann wird sich kein Mensch mit Behinderung mehr so extrem schwer tun, seine eigene Behinderung zu akzeptieren.

Aktuell werden wir als behinderte Menschen nach wie vor diskriminiert und benachteiligt. Ein Mensch mit Behinderung ist entweder ein Hilfeempfänger, der dafür dankbar zu sein hat, dass die Gesellschaft für ihn sorgt. Oder ein Mensch mit Behinderung ist ein Held, der trotz seiner Behinderung so viel in seinem Leben erreicht. Aber bei beiden Sichtweisen wird der Mensch mit Behinderung auf die Behinderung reduziert. Ständig wird übersehen, dass behinderte Menschen vor allem und zuerst Menschen sind wie alle anderen Menschen auch.

Die Behinderung ist nur ein Teil eines Menschen. Wie es heute absurd wäre, jemanden alleine unter dem Aspekt zu sehen, dass sie oder er eine Brille trägt, genauso absurd ist es, einen Menschen allein auf seine Behinderung zu reduzieren. Genau dies geschieht jedoch leider immer noch. Es geschieht gegen den Willen der behinderten Menschen, obwohl sie häufig auch sehr genau spüren, dass sie als Menschen eben nicht ausschließlich aus ihrer Behinderung bestehen.

Sich mit unserer Behinderung auseinanderzusetzen oder sie gar zu akzeptieren, ist extrem schwer, wenn wir ständig ausschließlich auf unsere Behinderung reduziert werden - und nicht als Menschen gesehen werden, die halt auch eine Behinderung haben, so wie es bei Brillenträgerinnen und Brillenträger selbstverständlich ist.

Mehr zur Person:
Markus Bräuer ist Psychotherapeut, er wird auf dem Blog der Hilfsgemeinschaft spannende Aspekte zum Thema Behinderung schreiben. Markus Bräuer bringt in seinen Artikeln die Expertise als Psychotherapeut und seine Erfahrung mit seiner Sehbehinderung ein.

Website von Markus Bräuer